Das Bild von André Bouys zeigt vier Flötisten und einen Gambisten. Wahrscheinlich handelt es sich um vier Berufsmusiker (darunter Jean-Baptiste-Antoine Forqueray, Michel de La Barre, Jacques Hotteterre) und einen Dilettanten. Der Dilettant ist erkennbar an seiner aufwändigen, reich verzierten Kleidung sowie an der ebenso kostbaren Elfenbeinflöte.
Benedetto Marcello, angesehener und exzellent ausgebildeter Komponist im 18. Jahrhundert, stellt sich auf dem Titel seiner Concerti a Cinque Op. 1 von 1708 als „nobile Veneto dilettante di contrappunto“ vor. Benedetto Marcello stammte aus einer wohlhabenden Patrizierfamilie, sodass Broterwerb für die Veröffentlichung von Kompositionen keine notwendige Motivation darstellte.3
Das Kriterium der nicht vorliegenden Erwerbstätigkeit für den Gebrauch des Begriffs „Dilettant“ liegt auch einer Auflistung von Dilettanten und Virtuosen im „Jahrbuch der Tonkunst in Wien und Prag“ von 1796 zu Grunde. Als Virtuosen werden hier Personen bezeichnet, die – im Unterschied zu Dilettanten – ihren Lebensunterhalt mit der Musik verdienen. Es handelt sich also um professionelle Musiker nach heutigem Verständnis. Es finden sich in dieser Aufzählung etliche Beispiele von Personen, die, gemessen an ihren Fertigkeiten, durchaus in die Sphäre professioneller Musikschaffender zu zählen und dennoch als Dilettanten aufgeführt sind. Es muss sich also um Personen handeln, die nicht von Musik leben (müssen).
„Bridi, ein junger Großhändler. Als Dilettant ist er gewiss die Krone aller unserer Tenoristen. Er liest ohne Schwierigkeiten alles vom Blatte weg, und hat eine sanfte, seelenvolle Stimme, in welche er durch die gefühlvolle Methode so viel Zauber legt, als ihm selbst beliebt. In scherzhaften Arietten schäkert er, in pathetischen Arien deklamiert er mit ungeschmücktem Ausdruck und im Adagio sind seine Töne schmelzend …“4
Zusammenfassend lassen sich in historischen Textdokumenten des mittleren 18. und frühen 19. Jahrhunderts die Begriffe Liebhaber, Kenner und Künstler (mit den Begriffsvarianten Dilettant, Tonkünstler, Virtuose) unterscheiden, wobei immer eine spezifische entweder rezeptive oder produktive Beziehung zur Kunst gemeint ist. Der Liebhaber tritt sowohl vor als auch nach 1800 in unterschiedlichen Qualitätsstufen entweder rezipierend oder (auch) produzierend auf. Der Kenner ist ein anspruchsvoller, gebildeter Rezipient. Der Künstler, naturgemäß produktiv, unterscheidet sich vom praktizierenden Liebhaber, der ab Ende des 18. Jahrhunderts auch als Dilettant bezeichnet wird, durch seine Arbeitsweise, Begabung und Unbedingtheit. Dadurch, dass Schiller und Goethe (stellvertretend für eine Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Neubewertung) das Kriterium des Broterwerbs durch den Aspekt der Arbeitsweise und inneren Haltung quasi ersetzen, erhält der Begriff „Dilettantismus“ die pejorative Nebenbedeutung, die auch im heutigen Sprachgebrauch mitschwingt. Im mittleren 18. Jahrhundert allerdings stehen Liebhaber, Kenner und Künstler noch in einem symbiotischen Verhältnis und die Liebhaberkultur trägt erheblich zu einem reichhaltigen Kulturleben bei. Als Mäzene, Schüler, Käufer, Veranstalter und nicht zuletzt als Publikum bedeuten Liebhaber die notwendige Voraussetzung für die Lebens- und Schaffenswelten professioneller Musiker. Lassen wir ergänzend Carl Friedrich Cramer zu Wort kommen, um die Inklusion des Liebhabers im Musikkosmos des 18. Jahrhunderts, hier sogar mit einer Vorrangstellung gegenüber Berufsmusikern, zu bestätigen:
„Leute, denen die Musik eine saure Arbeit wird, können dabei ohnmöglich die Lust und den Kunsteifer behalten, der notwendiger Weise da sein muss, wenn man in der Kunst selbst immer vollkommener werden und dadurch zur Vollkommenheit des Ganzen beitragen will“5
Notenveröffentlichungen für Liebhaber
Die an Liebhaber adressierte Veröffentlichung von Notenmaterialien, Musikjournalen oder Almanachen bedeutete Musikern des 18. und 19. Jahrhunderts eine wichtige Einkommensquelle und selbstverständlichen Bestandteil einer professionellen Sebstvermarktungsstrategie.
Im folgenden sollen stellvertretende Beispiele dargestellt werden.
Carl Philipp Emanuel Bach veröffentlichte in den Jahren 1779 bis 1787 (Hamburger Zeit) eine der bedeutendsten Sammlungen, die sich (qua Titel) auch an Liebhaber richtet. Seine sechs Bände mit Sonaten, Rondos und Fantasien für „Kenner und Liebhaber“ erschienen im Eigenverlag.