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Johann Sebastian Bach: Sonate in F-Dur Rezensionen

 

für Altblockflöte und Basso continuo, nach der Flötensonate E-Dur BWV 1035, bearbeitet von Klaus Hofmann, Reihe: Recorders Library, 2024, Partitur und Stimmen, EW1272, € 14,90

 

Man stelle sich vor, die größten Komponisten kämen noch einmal auf die Erde zurück und wir Musiker hätten jeweils einen Kompositionswunsch an sie frei.

 

Ein richtiges Cellokonzert von Beethoven!? Eine Flötensonate von Brahms!? Im Falle Bachs dürfte es an der Blockflöte sein, sich mindestens eine, natürlich besser noch gleich 6 Sonaten, mit oder ohne Bass, zu wünschen.

 

Vorerst müssen wir noch mit dem leben, was wir haben und davon ausgehen, dass Stücke, wie sie sicher bald von KI komponieret werden, erkennbar bleiben als eben doch “kein richtiger“ Bach!

 

Das Desiderat nach Bachschen Blockflötensonaten ist schon recht alt: ich erinnere mich, bereits als Teenager eine Ausgabe mit transponierten und arrangierten Werken besessen und geübt zu haben.

 

Die nächstliegenden „Opfer“ waren immer die Querflötensonaten sowie die Solopartita, die allesamt für sich schon in der überlieferten Form recht heterogen sind und zahlreiche Fragezeichen bezüglich ihrer Provenienz, Vorgeschichte und stilistischen Ausprägung aufwerfen.

 

Eine simple Transposition um eine kleine Terz aufwärts, wie Hotteterre sie empfiehlt, produziert meist eine Fülle von Problemen und Fragwürdigkeiten: z. B. aufgrund der Eigenarten der zwischen Travers-und Blockflöte doch jeweils klanglich sehr verschiedenen Register: gleich zu Beginn des ersten Satzes oder in den Solopassagen des zweiten der e-Moll-Sonate stehen der sonoren Lage der tiefen e und dis auf der Traversflöte im entsprechenden g-Moll auf der Blockflöte ein oft wolfiges g und häufig fast unhörbares fis gegenüber und entfalten so geradezu gegensätzliche klangliche Wirkung. (In der erwähnten Ausgabe meiner Jugend war der erste Takt deshalb bereits teilweise motivisch sinnwidrig oktaviert.) Im letzten Satz derselben Sonate wandert dann der „Bass“ bei einer Transposition in geradezu absurde Höhenlagen.

 

Auch für die h-Moll-Sonate hat sich aus ähnlichen Gründen keine wirklich brauchbare und konzertfähige Version mit Blockflöte etablieren können.

 

Und dennoch: natürlich sollten alle Blockflötisten und Blockflötistinnen „ihren Bach“ kennen, studieren und spielen, um Musik dieser einsamen Güteklasse zu erfahren. (Ob man dies dann auch öffentlich oder auf Tonträgern tut, muss jeder mit sich selbst ausmachen.)

 

Eigentlich ist es merkwürdig, dass ausgerechnet die E-Dur-Sonate, die höchstwahrscheinlich chronologisch letzte und – sieht man einmal von den Sonaten in Es-Dur und g-Moll ab – stilistisch am wenigsten barocke der Bachschen Flötensonaten, durch die simple Transposition um einen Halbton aufwärts nach F-Dur auf der Blockflöte geradezu wie angegossen liegt: nicht nur lösen sich die auf der Traversflöte extremen technischen Anforderungen in F-Dur auf der Blockflöte in zwar virtuose, aber bestens in der Hand liegende Passagen auf, auch verliert der Bass z. B. für ein Violoncello seinen Schrecken und wandert nicht zu sehr in die Höhe.

 

Gerade in den schnellen Sätzen hat man beim Spielen auf der Blockflöte das Gefühl einer absolut idiomatischen Komposition, wozu auch die für Bachsche Verhältnisse zahlreichen artikulatorischen Bezeichnungen beitragen, die der Artikulationsfreudigkeit der Blockflöte entgegen kommen. Wie schön zudem, dass dabei nicht einmal das leidige Aufstützen nötig wird!

 

An die Grenzen der blockflötistischen Ausdrucksmittel gerät man vor allem im ersten Satz, wenn man diesen im Sinne von Quantz' Angaben dynamisch differenziert auszugestalten versucht.

 

Aber: Kurz und gut: wenn man schon eine Bach-Sonate auch in der Öffentlichkeit auf der Blockflöte spielen möchte, ist zweifellos diese Sonate und genau diese Transposition zu empfehlen!

 

Nicht nur, weil man von den Cembalisten nicht unbedingt verlangen kann einen Bass vom Blatt von E- nach F-Dur zu transponieren – ist es für die Praxis äußert hilfreich, eine Ausgabe in F-Dur zu besitzen, die in diesem Falle zudem von einem der besten Bach-Philologen herausgegeben wurde, dem langjährigen Editionsleiter der NBA Klaus Hofmann.

 

Hier kann man sicher sein (im Gegensatz zu billigen Downloads bei imslp), eine quellenmäßig bestens betreute Edition mit praktischem Stimmenmaterial in Händen zu haben.

 

Dies lohnt allemal die Anschaffung für alle, die Bach auf der Blockflöte spielen möchten!

 

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Über den Autor / die Autorin
Michael Schneider ,

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