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Was mich immer wieder motiviert hat, ist, neue Modelle zu entwickeln. Sina Bayer im Gespräch mit Guido Klemisch anlässlich seines 50-jährigen Instrumentenbauer-Jubiläums Porträts

 

Das Gespräch fand während des diesjährigen ERTA-Kongresses in Nürnberg statt.

 

Sina Bayer: Lieber Guido, du kennst bestimmt die folgende Aussage, die Johann Mattheson in seinem neu-eröffneten Orchestre über die Blockflöte trifft: Ob nun gleich eine solche Flute douce das allerleichteste Instrument ist und scheinet, so fatiguiret es doch den Spieler so wol als den Zuhörer, wenn es sich zu lange hören läst. Dich scheinen diese Instrumente in keiner Weise zu langweilen, denn du beschäftigst dich jetzt schon seit über 50 Jahren damit, als Spieler und als Flötenbauer. Was motiviert dich jeden Tag, damit weiterzumachen?

 

Guido Klemisch: Er hat vielleicht nicht völlig Unrecht – solche Flöten kenne ich durchaus – ganz einverstanden bin ich mit seiner Charakterisierung nicht; aber gute Frage. Was mich immer wieder motiviert hat, ist, neue Modelle zu entwickeln. Damals im Unterricht bei Frans Brüggen habe ich ja zuerst ein Original-Instrument von Bressan kennengelernt und als ich das spielen durfte, war das schon ein Aha-Erlebnis. Ich kannte vorher die Moeck Rottenburgh und ganz früher hatte ich auch Küng-Flöten. Für mich war das dann schon eine ganz andere Welt und ist es auch immer noch. So wie ich das hier beim Blockflötenorchester wieder erlebe, hat sich da wenig geändert. Dazu fallen mir Adornos Worte von der läppischen Flöte ein.

 

Die Flöten sind im Laufe der Zeit wohl besser geworden. Im Vergleich zu früher sind auch die industriell hergestellten Flöten viel besser. Aber die eigentliche Qualität der Originalinstrumente fehlt mir einfach. Und solange, bis ich herausgefunden habe, was nun das Rätsel der barocken oder meinetwegen auch der Renaissance-Flöte ist, hält mich das eigentlich tätig.

 

Das heißt, du denkst, dass wir noch immer nicht auf dem Niveau angekommen sind, das uns Bressan, Denner und Co. vorgegeben haben?

 

Ja, genau! Aber handwerkliche Werkstätten sind oft nahe dran. Allerdings meine ich, dass wir über das Kopieren noch nicht wirklich hinausgekommen sind. Im Unterschied zu heute hatten die Instrumentenbauer damals ja weitaus weniger Vorbilder und mussten neuartige Bohrungen und Modelle entwickeln! Nehmen wir nur mal eine so unscheinbare Sopranflöte wie die von Johann Christoph Denner (Bachhaus Eisenach). Die komplett konische Bohrung dieser Flöte ist revolutionär. Wobei Heyde schreibt, dass damals auch untereinander kopiert wurde. Wenn ich jetzt die ganze Nürnberger Schule betrachte – damit habe ich mich in den letzten Jahren etwas mehr befasst, weil ich die auch zu wenig beleuchtet fand: Das einzige, was man heutzutage häufig findet, sind Denner-Kopien! Die Kopenhagener Altflöte von Jakob Denner ist auch wirklich kaum zu übertreffen, aber viele Kopien bleiben davon doch weit weg, was die Klangqualität betrifft.

 

Wie würdest du diesen Klang beschreiben, den du suchst und den diese Originale haben?

 

Vor allem singend, was jetzt vor allem die Nürnberger Instrumente betrifft durchaus brillant und hell. Im Vergleich zu Bressan zum Beispiel, haben diese Instrumente im Allgemeinen ja auch eine etwas engere Bohrung. Aber sie müssen singen!

 

Es kommt aber etwas Weiteres hinzu: Schon damals, da war ich als Schüler bei einem Kurs mit Hans-Martin Linde im Konservatorium in Köln, welches es schon lange nicht mehr gibt, und da meinte er zu mir: Ihre Flöte, die hat ein Problem. Der Ton ist zu schnell da: Der Ton ist so schnell da, dass man ihn nicht formen kann! Und das fällt mir bei vielen Flöten immer wieder auf. Mit der Blockflöte ist man ja sowieso sehr beschränkt, was die Tonformung betrifft und wenn das letzte Bisschen auch noch verschenkt wird, ja dann ist ein Instrument so uninteressant! Aber genau dieses Geheimnis zu lösen, dass der Ton nicht zu schnell da ist (aber er muss auch schnell genug da sein!), das zu realisieren, das ist glaube ich die allergrößte Kunst. Und es ist sicherlich nicht nur eine Frage der Maße. Maße sind schon wichtig, aber ich habe z. B. schon seit vielen Jahren ein elektronisches Messgerät und kontrolliere das auch immer mal wieder zwischendurch, aber die Genauigkeit lässt da auch zu wünschen übrig. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, wenn man mechanisch messen würde, wäre es vielleicht sogar genauer. Aber die Museen mögen das ja nicht (lacht).

 

Du hast vor 26 Jahren im Gespräch mit Malcom Davies in Tibia (Tibia 1/1998) diese Schärfe im Ton der Blockflöten auch schon kritisiert. Und trotzdem gibt es ja momentan auch einen Trend, der fast ins Gegenteil geht: zu ganz „weit“ gevoicten Flöten, mit hohem Rauschanteil. Beobachtest du das auch? Interessiert es dich auch, was die Kollegen und Kolleginnen so machen?

 

Ja, sicher, ich gehe schon öfter bei Ausstellungen herum. Ich finde auch immer wieder gute Instrumente! Also ich würde jetzt nicht sagen, dass alles nur zweite Wahl ist. Ich habe solche ganz weiten Instrumente auch schon in Berlin im Konzert gehört. Aber wenn die Blockflöte lauter ist als die Oboe, dann stimmt da etwas nicht, man sollte auch nicht Lautstärke mit Tragfähigkeit verwechseln.

 

Die Blockflöte trägt ja historisch gesehen auch die Bezeichnung „flûte douce" und auf der anderen Seite beschreibt beispielsweise Quantz Traversflötenspieler mit einem hellen, schneidenden, dicken, runden, männlichen doch dabey angenehmen Ton als Vorbilder. Das Instrument soll also vermutlich auch lauter sein, das hört man dann ja oft fast umgekehrt.

 

Ja! Für die sogenannten „Quantz-Flöten“ trifft die Beschreibung sicher auch zu. Es sind gewiss keine Barockflöten mehr. Wobei mir schon seit einigen Jahren auffällt, das betrifft jetzt allerdings eher die Böhmflöte in sogenannten „modernen Orchestern“, dass die Flöte mittlerweile fast lauter ist als die Oboe. Die „dröhnen“ da schon ziemlich. Also ich baue ja auch Traversflöten, ich glaube viele wissen das gar nicht so, obwohl ich damit sogar angefangen habe. Das waren die ersten Instrumente, die ich gebaut habe. Es hatte sich damals so ergeben. Eine Kollegin von mir hatte eine Originalflöte von Scherer, die baue ich immer noch nach. Das ist eine fantastische Flöte und vor allem eine der wenigen wirklichen Barockflöten. Die meisten spielen ja Barockmusik mit zu späten Flöten. Auch die Rottenburgh Traversflöte von Barthold Kuijken gehört dazu, das Instrument wurde in den 1740er Jahren gebaut. Eine „von selbst spielende“ Flöte, aber sie ist eigentlich nicht mehr wirklich für Barockmusik geeignet.

 

Wie ist das denn überhaupt bei der Traversflöte. Bei der Blockflöte gibst du dem Spieler ja durch das Voicing einen klaren Rahmen vor, in dem er sich klanglich bewegen kann. Wie kannst du bei der Traversflöte den Klang beeinflussen? Liegt das schon vor allem am Mundloch, an der Form und der Unterschneidung? Oder sind das andere Parameter?

 

Das Mundloch ist schon sehr entscheidend. So simpel das zu sein scheint, so kompliziert ist es in Wirklichkeit. Die Unterschneidung muss sehr genau und mit Gefühl gemacht werden, das ist nicht so einfach.

 

Und wenn du ans Voicing deiner Blockflöten gehst, suchst du dann auch genau den Klang der Originalflöten oder passt du das so ein bisschen auch an moderne Bedürfnisse an?

 

Hm, also ich versuche schon möglichst nahe am Original zu bleiben.

 

Das lässt sich sicher auch nicht immer eins zu eins übertragen! Es ist ja schon auch so, dass die Originale meist tiefer stehen und du deine Instrumente dann auf einen Stimmton von a1 = 415 Hz übertragen musst. Das verändert den Klang ja schon sehr! Ich habe auch eine Kopie einer Bressanflöte in 407 Hz und finde immer, je tiefer der Stimmton, desto mehr klingt das Instrument. Kommt dir das auch so vor? Woran liegt das?

 

Das stimmt, ja. Die Kürzung des Tubus hat einen Einfluss auf den Klang insgesamt. Die Schwingung wird verkürzt. Ich habe zuhause auch zwei Bressan-Flöten, eine in Originalmensur, die andere in 415 Hz. Die sind einfach unterschiedlich! Wobei ich bei Bressan finde, dass es da noch ganz gut funktioniert, aber trotzdem klingt die Flöte in 407 Hz einfach besser.

 

Du baust ja auch ganz tiefe Instrumente, teilweise auf 400 Hz, habe ich gesehen. Wird das von den Spielern angenommen und verwendet?

 

Ja, schon! Ein Kunde beispielsweise bekommt demnächst seine Voice-Flute in 403 Hz, in originaler Stimmung. Allerdings bekommt er auch ein zusätzliches Mittelstück in 415 Hz dazu. Aber damit klingt die Flöte dann wirklich ganz anders.

 

Ich habe selbst eine schöne Rottenburgh Voice-Flute, die die Leute immer zu leise fanden und finden, was aber nicht stimmt! Es ist natürlich keine „Gewaltsröhre“, sondern wie eigentlich viele Rottenburgh-Flöten, etwa die Bass-Flöte in Den Haag, ein eher leises Instrument. Man hat beim Spielen den Eindruck, es ist leise. Es ist aber trotzdem tragfähig. Tragfähigkeit wird oft mit Lautstärke gleichgesetzt. Meine Voice-Flute in 415 Hz ist schon etwas brillanter als sie es in der Originalstimmung wäre, trotzdem empfinden die Leute das immer als zu leise. Heiko Terschegget hat die Flöte einmal vor vielen Jahren für mich netterweise in Utrecht bei einem Konzert gespielt und ich hab mich extra ganz nach hinten gesetzt. Wenn man darauf richtig spielt und nicht forciert – denn diese Flöte verträgt das im Vergleich zu etwa einer Denner nicht – dann ist sie sehr gut zu hören.

 

Das heißt, dieses Gefühl, dass man sich als Blockflötistin oder Blockflötist im Ensemble ständig als zu leise wahrnimmt, das trügt deiner Meinung nach eigentlich?

 

Ja. Blockflötisten haben auch deshalb ein Trauma, glaube ich. Ich finde es erstaunlich, dass sie dann trotzdem bei diesen Instrumenten bleiben. Also nichts gegen Csakan und Flageolett, ich habe auch mal eine ganze Weile Barock-Flageoletts gebaut. Ich finde sie wunderbar, aber das sind wieder Nebeninstrumente von wirklich nur mäßiger Bedeutung, wie auch die Blockflöte – zumindest im 18. Jahrhundert.

 

Viel wichtiger war die Blockflöte im 16., vielleicht auch im 17. Jahrhundert. Aber vor allem im 16. Jahrhundert! Sie hieß ja damals auch einfach Flöte, nicht Blockflöte. Das ist das Hauptzeitalter der Blockflöte! Und das interessiert die Leute am wenigsten. Die interessieren sich für Vivaldi und Telemann.

 

Naja, vielleicht, weil es eben ab dem Barockzeitalter auch Literatur explizit für die Blockflöte gibt und sie als solche gekennzeichnet ist.

 

Schon, und ich glaube auch, durch Leute wie Frans Brüggen und auch Hans-Martin Linde wurde aus der Blockflöte irgendwie ein Solo-Instrument, was es eigentlich nicht gewesen ist. Renaissancemusik ist Consortmusik! Drei, vier, fünf Instrumente im Consort. Dann ist die Blockflöte auch wahnsinnig schön, nicht?

 

Ja! Und nicht ermüdend (lacht).

 

Gar nicht! Es gibt auch ein nettes Zitat von Mersenne, das ist ungefähr das Gegenteil von dem, was Mattheson sagt. Das Schöne der Flöte sei, sagt er, dass sie den Charme und die Lieblichkeit des Gesanges nachahme.

 

Du hast ja die Renaissanceinstrumente in Wien auch gesehen und vermessen. Wie sind die klanglich im Unterschied zu den barocken Originalen?

 

Einfach gesagt: Durch ihre weite und schwach konische Bohrung haben Renaissanceflöten einen oktavialen Klang, das heißt: starker erster Teilton (Grundton), starker 2. Teilton (Oktave) und schwacher 3. Teilton (Quinte). Die Barockflöte mit ihrer stark konischen Bohrung hat einen duodezimalen Klang, das heißt der 1. Teilton ist stark, der 2. Teilton (Oktave) schwach und der 3. Teilton (Quinte) wieder stark. Erstere haben dadurch eine kräftige tiefe Lage und einen streichenden Klang. Barockflöten zeichnen sich durch eine sehr ausgeglichene tiefe und hohe Lage aus. Beides sind übrigens zylindro-konische Bohrungen, wobei bei der Renaissanceflöte ca. 2/3 zylindrisch ist, bei der Barockflöte nur noch das Kopfstück.

 

In der Zeit durfte man in Wien zwar auch schon nicht mehr spielen, aber damals wurden mir die Instrumente in einen Raum gebracht und ich konnte unbeaufsichtigt alles machen, was ich wollte. Ich habe selbst den Block herausgeschlagen. Das war diese ganz fantastische Tenorflöte, dieses Modell mache ich noch immer, als Teil meines Bassano-Consorts. Als ich das letzte Mal vor zwei oder drei Jahren in Nürnberg im Museum war, hat sich der Restaurator daneben gesetzt und gut aufgepasst. Das war eine Eichentopf-Flöte, übrigens auch hier verstehe ich nicht, warum die Leute nicht auf diesen Flöten spielen! Der Mann war ein bester Freund von Bach! Das alleine müsste schon ein Grund sein, dass jeder Blockflötist so ein Instrument hat!

 

Glaubst du der Markt konzentriert sich zu sehr auf Denner und Bressan und die Vielfalt ist eigentlich zu klein?

 

Ja! Ich kann auch nur Bart Kuijken zitieren: für jede Musik braucht man ein anderes Instrument! Es kommt ja auch niemand auf die Idee, Renaissancemusik auf Barocktraversflöten zu spielen – also, zumindest habe ich das bisher noch nie gehört (lacht).

 

Ich habe letztens in Wittenberg ein sehr gutes Quartett gehört, mit Kate Clark! Vier Renaissancetraversflöten.

 

Wäre das auch eine Richtung, in die du dein Sortiment eventuell noch erweitern würdest?

 

Renaissancetraversflöten haben mich ja schon sehr früh interessiert! Also als ich in Den Haag studierte, war ich dort lange der einzige, der Traversflöte spielte. Ich habe auch eine Zeit lang in einem Ensemble Renaissancetraversflöte gespielt. Ich habe auch mal versucht, die selber zu bauen und war auch in Verona (Biblioteca della Accademia Filarmonica) und habe die Sammlung dort gesehen! Als ich da die Bassflöten probierte, da hab ich gedacht: das ist ja der Hammer!! Also eine Renaissance-Bassblockflöte klingt schon ganz ordentlich. Aber das war schon so eine richtige Gewaltsröhre!

 

Ganz im Gegenteil dazu stehen die klanglich meist eher feinen Blockflöteninstrumente des 19. Jahrhunderts, darauf liegt der Schwerpunkt an diesem Wochenende beim ERTA-Kongress in Nürnberg. Hast du dich als Spieler oder im Instrumentenbau auch schon mit romantischen Blockflöten auseinandergesetzt?

 

Wenig, als Spieler schon gar nicht. Das hat mich nie interessiert, muss ich sagen. Allerdings war ich vor Jahren bei Helmut Schaller in Wien, mit dem ich gut befreundet war und einmal zeigte er mir einen Csakan und hat mich aufgefordert, mit ihm zusammen zu spielen. Ich fand das wirklich fantastisch schön! Also diesen Csakan von ihm jedenfalls, das war ein Original mit sehr vielen Klappen. Und ich war nahe dran, diesen Csakan auch zu kopieren. Die vielen Klappen haben mich leider etwas abgeschreckt. Ich hatte dann überlegt, ein Modell mit etwas weniger Klappen zu bauen, Klappen sind nun mal eine wirklich aufwändige Sache. Das hat dann dazu geführt, dass es soweit nicht gekommen ist. Ich hatte mir sogar daraufhin den Csakan im Berliner Museum angeschaut, einen sehr schönen Csakan mit wenigen Klappen! Aber wenn ich jetzt die Wahl habe, einen Csakan zu bauen oder Renaissanceinstrumente, dann muss ich einfach sagen, dass die Renaissanceflöten so viel wichtiger für ihre Zeit sind.

 

Du baust ja auch ganze Renaissanceconsorts und spielst mit deinem Ensemble darauf! Ist es eine besondere Schwierigkeit, die Flöten aufeinander abzustimmen? Hast du dann jemanden, der dir beim Stimmen hilft, damit du hörst, wie die Flöten zusammen klingen?

 

Nein, ich stimme das eigentlich mit dem Stimmgerät, mitteltönig! Natürlich stimme ich dann auch immer mal wieder nach. Es bläst eben doch jeder mal ein bisschen anders. Was ich gemerkt habe, ist, dass ich dazu neige, die mittleren Töne, Oktave und None, tiefer zu stimmen. Die blase ich wohl etwas anders.

 

Das ist wohl auch die Schwierigkeit, wenn man als Blockflötenbauer auch ein guter Spieler ist, nicht? Dass man sich auch schnell auf ein Instrument anpasst und die Töne ausgleicht?

 

Das habe ich auch schon mal gedacht, dass das vielleicht gar kein so großer Vorteil ist, weil ich dadurch natürlich auch mit schwierigen Instrumenten zurecht komme und manche Leute dann überhaupt nicht.

 

Das junge ensemble feuervogel hat ein unvollständiges Breukink-Consort und sie haben mich neulich gebeten, 2 Diskantflöten und einen C-Bass hinzuzufügen. Ich habe ihnen dann zwei Instrumente zugeschickt, um zu schauen, ob das mit der Stimmung hinkommt und ich hab das mit dem Stimmgerät gestimmt und mit einer meiner Tenorflöten verglichen, damit es passt wenn man locker bläst und es hat perfekt gestimmt. Es musste auch, jedenfalls bisher, nichts nachgestimmt werden. Aber, da ist schon eine gewisse Schwierigkeit, das stimmt. Allerdings wenn man ein komplettes Consort macht, dann hat man die Instrumente ja meist bei der Hand und kann vergleichen. Das ensemble feuervogel hat sich dann also Instrumente bei mir ausgesucht, die ihnen klanglich passend erschienen und dann musste ich diese aber in der passenden Stimmung anfertigen, denn meine Instrumente waren etwas tiefer, 458 oder 460 Hz. So etwas mache ich dann allerdings auch gerne!

 

Gehst du dann klanglich also auf die Wünsche deiner Kunden ein? Oder hast du einen bestimmten Stil und es kommen dann die Kunden, die genau danach suchen?

 

Gute Frage. Ich habe gerade vor ein paar Monaten für eine der Spielerinnen in meinem Ensemble eine Barockflöte nach Debey gemacht. Sie fand dann das tiefe g nicht gut genug und hatte da auch nicht ganz unrecht. Ich weiß auch immer noch nicht, warum das zum Gurgeln neigt, wohingegen eine andere Flöte mit den gleichen Maßen das nicht tut. Also das mache ich dann schon, dass ich darauf eingehe. Und was das Intonieren betrifft, so habe ich schon eine bestimmte Vorstellung von einer Flöte, wie sie klingen soll.

 

Das heißt, wenn du ans Voicing gehst, weißt du schon vorher, was du aus dem Instrument rausholen willst?

 

Ja, genau.

 

Und kennst du das auch, dass der Klang sich beim Voicen in die richtige Richtung entwickelt, bis zu dem Punkt an dem man einen Handgriff zu viel gemacht hat und es dann wieder schlechter wird? Geht dir das auch so oder kannst du mittlerweile gut einschätzen, wo du aufhören musst?

 

Ja, das passiert mir heutzutage eher weniger, aber das kenne ich auch (lacht).

 

 

Da bin ich beruhigt. Du hast früher auch viel moderne Musik gespielt, richtig? Spielt ihr auch heute noch Zeitgenössisches im Ensemble?

 

Ja, eher weniger. Ich habe ja in jungen Jahren in Hannover studiert und auch Examen gemacht und dort viel zeitgenössische Blockflötenmusik gespielt, weil mir das auch sonst nicht so richtig gereicht hat. Ich habe ja parallel auch Böhmflöte gespielt, aber da fand ich allerdings auch, dass das Instrument für die meiste Musik, die man darauf spielen sollte, nicht passte. Poulenc oder Ibert etwa habe ich auf Böhmflöte gerne gespielt.

 

Ich hatte schon früh Kontakt mit Michal Vetter und fand das natürlich irre, was er machte. Ich bin dann später doch etwas auf Distanz gegangen, weil ich moderne Stücke nicht mag, die eine Viertelstunde dauern, aber nur interessantes Material für fünf Minuten haben. Die dauern dann einfach zu lange, das empfinde ich auch immer noch.

 

Auf welchen Flöten hast du das dann gespielt?

 

Auf Moeck-Flöten!! (lacht) Da gab es die Rottenburgh noch gar nicht. Ich habe mich auch schon während meiner Schulzeit sehr für elektronische Musik interessiert. Da gab es nämlich im WDR mit Karlheinz Stockhausen einmal in der Woche eine Sendung mit dem Titel „Musik, die man nur am Lautsprecher hören kann“. Übrigens hat Stockhausen eine äußerst sympathische Stimme! In Den Haag habe ich dann bei Frans Brüggen Blockflöte studiert und Elektronik im Elektronikstudio.

 

Hast du dann die Blockflöte auch mit der Elektronik kombiniert?

 

Doch, das haben wir auch gemacht, klar! Ich habe mit Winfried Michel damals zusammen Konzerte mit Blockflöten gegeben und da haben wir das halbe Elektronik-Studio mitgenommen. Bis ich dann einmal bei dem Konzert eines Studienkollegen plötzlich dachte: Bluff! Denn mit Elektronikmusik, ich weiß nicht ob dir das bewusst ist, da kannst du wirklich aus nichts eine Bombe machen!

 

Aber ich hatte in der Zwischenzeit schon ein bisschen Feuer für Alte Flöten gefangen und da habe ich ziemlich schlagartig mit der elektronischen Musik aufgehört. Übrigens hat mich in dieser Zeit auch die Musique concrète sehr interessiert, Musik mit Geräuschen, also Boulez und so. Das war so in den 50er Jahren. Aber manche Sachen von Stockhausen finde ich nach wie vor toll. Der Gesang der Jünglinge zum Beispiel, ist ein Meisterwerk! Überwiegend Elektronik und dann die Singstimmen, das ist schon toll!

 

Wie ist es mit heutigen zeitgenössischen Strömungen, kennst du da einige Stücke? Es gibt ja heutzutage auch im Blockflötenbau viele verschiedene Ansätze, um die Instrumente zu „modernisieren“, etwa mit Pianoklappen, die die Dynamikmöglichkeiten erweitern sollen. Was hältst du von sowas?

 

Ich kenne Susanne Fröhlich ja ganz gut und schätze sie auch sehr. Ich habe im vergangenen Jahr auch ein Konzert von ihr in Amsterdam gehört – also das ist schon toll! Aber ich selbst möchte das nicht machen. Ich finde auch: wer das gerne macht, der soll das ruhig machen und das gleiche mit den Instrumenten! Wir haben nach den Semesterferien in Berlin ein Projekt gemacht und ich hatte dann in ihrer Doktorarbeit auch ein bisschen gelesen und da ist mir dann gleich aufgefallen, dass ihrer Auffassung nach Barockflöten keine oder zu wenig Dynamik haben. Damit bin ich nicht einverstanden! Denn wenn man eine gute Flöte hat, dann hat die auch Dynamik. Vielleicht weniger als wenn ich da eine Piano-Klappe habe, zugegebenermaßen. Aber für mein Gefühl ausreichend. Darüber haben wir uns dann ein bisschen unterhalten und sie hat das auch auf ihrer Helder-Flöte vorgemacht, aber ich fand, dass ich das auf meiner Debey auch fast genauso gut konnte. Zu der Musik muss ich sagen, dass ich mich damit lange nicht mehr befasst habe, und ich kenne auch keine Stücke.

 

Abschließend noch eine Frage zu dir persönlich. Hast du eine bestimmte Lebensphilosophie? Oder kannst du dich in einem Satz beschreiben?

 

Unorganisiert! (lacht) Ja, meine Frau ärgert sich darüber auch immer! Aber ich hatte neulich Besuch aus den Niederlanden und die meinten, meine Werkstatt sei doch für eine Werkstatt ordentlich! Das ist also doch relativ. (lacht)

 

Was möchtest du jungen Blockflötenbauerinnen und -bauern vielleicht mit auf den Weg geben? Du warst schon vor 50 Jahren dabei, hast ganz viele Flöten vermessen und Kopien gemacht. Gibt es für junge Kolleginnen und Kollegen überhaupt noch etwas zu tun?

 

Ja, sicher! Sich alte Originalflöten anzusehen! Mehr verschiedene Modelle machen! Aber ich habe generell auch das Gefühl, dass viele junge Bauer die Originale gar nicht kennen! Ich habe sogar manchmal den Verdacht, dass die nicht das Original kopieren, sondern meine Kopie! Es gibt beispielsweise nur eine einzige originale Debey Flöte. Ich fand die Form des Schnabels immer unschön. Ohne das wirklich zu wollen wurde daraus irgendwie immer mehr ein Schnabel wie bei Bressan. Neulich habe ich jemandem eine Debey-Kopie geliefert. Er hatte bereits eine Debey von Fred Morgan und wollte dazu eine zweite haben. Er fragte dann, welche Flöte nun näher beim Original sei, da der Kopf der Morgan-Flöte doch ganz anders aussehe, alle anderen Kopien seien aber eher so wie meine. Entweder sind das copies of a copy oder den anderen ging es auch so, dass ihnen die originale Form nicht so gefiel. Das kann natürlich durchaus auch sein.

 

Das heißt, zurück zum Original?

 

Ja. Zurück zum Original, zur Quelle. Also, das kann ich wirklich nur empfehlen. Auch wenn die Museen sich inzwischen wirklich pingelig zeigen, eigentlich nicht ganz zurecht. Aber ich war damals oft in Berlin im Museum und wir durften dann auch ein paar Töne auf einigen Flöten spielen. Also wenn man nur mal das Gefühl bekommt, wie so eine Flöte anspricht, das verändert die Wahrnehmung enorm! Ich selbst habe auch zwei barocke Originalflöten, danach hat mich aber bis auf eine Ausnahme noch nie jemand gefragt!

 

Schön, dann sind wir sehr gespannt auf die kommende Generation und viele weitere Kopien. Dir noch weiterhin alles Gute und vielen Dank für das Interview!

 

 

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