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Max Volbers/Alexander von Heissen: Foreign Masters Rezensionen
Max Volbers (Blockflöte), Alexander von Heissen (Cembalo), Berlin Classics, Hamburg 2024, 1 CD, 0303407BC
In den vergangenen 50 Jahren sind im Anschluß an die legendären Pioniertaten von Frans Brüggen zahllose Schallplatten- und CD-Einspielungen mit Blockflöte und Cembalo auf den Markt gekommen. Wen wundert´s? Denn ein jeder Spieler, der es auf der Blockflöte zu einiger Virtuosität gebracht hat, die landläufig mit dem „Kinderinstrument“ leider noch immer nicht selbstverständlich in Verbindung gebracht wird, möchte seine Visitenkarte auf den Markt bringen … Nur wenige dieser Einspielungen sind allerdings zu Meilensteinen geworden. Zu jenen maßstabsetzenden Interpretationen zählt die Platte „Delight in Disorder“, aufgenommen 1995 von Pedro Memelsdorff und Andreas Staier – in Fachkreisen bis heute noch immer debattiert und hochgehalten. Hier setzt die vorliegende Aufnahme in verschiedener Hinsicht an: Max Volbers und Alexander von Heissen, die beide schon jetzt zu den allerbesten Interpreten ihrer Instrumente der jüngeren Generation gezählt werden können, greifen auf das angestammte Repertoire der Blockflöte, auf englische Barockmusik, zurück, sie verzichten auf eine Verstärkung des Basso continuo durch ein gestrichenes Bassinstrument wie Cello oder Gambe, wodurch dem Cembalospiel an der Seite der Blockflöte eine gewichtigere Rolle zukommt, und sie konfrontieren bekannte Komponisten mit weniger bekannten Meistern aus deren Umkreis, mit „foreign masters“ eben, wie es im Titel der übrigens graphisch sehr schön aufgemachten CD so treffend heißt. Wo Memelsdorff und Staier die Reise ins 17. Jahrhundert in den Umkreis eines Henry Purcell führt, geht die vorliegende CD ins 18. Jahrhundert zu Georg Friedrich Händel und Kollegen – und somit in puncto instrumentaltechnischer Virtuosität und ungezügelter Lust am Ausdruck spätbarock überbordender Affekte einen gewaltigen Schritt weiter. Das klangliche Resultat ist schlichtweg überragend:
Virtuos, fulminant, spektakulär, nicht selten furios, akrobatisch oder gar monströs, mitunter kurios, fast immer exaltiert – in des Wortes eigentlicher Bedeutung „barock“: schiefrund, über das Maß klassischer Normen weit hinausgehend und so prall, daß es jeden Moment aus den Nähten zu platzen, oder das enge höfische Korsett zu sprengen droht. In dieser Hinsicht ist die Platte ein einziger Superlativ und nicht mehr zu übertreffen! Manchen Hörer dürfte sie nahezu sprachlos zurücklassen, erschlagen, atemlos …, sodass er die Frage nach den „mezze tinte“, den stilleren, feineren Zwischentönen vielleicht kaum mehr zu stellen wagt. Doch es gibt sie – jene intimen, bezaubernden und klanglich betörenden Momente, die weniger in Verwunderung zu setzen als vielmehr das Herz zu rühren beabsichtigen. Wer danach sucht und genauer hinhört, wird sie finden. Für meinen Geschmack leider allzu selten. Aber das mag dem Feuer der Jugend geschuldet sein. Bleibt die Frage, ob die Platte von Volbers und von Heissen wohl auch das Zeug zu einem Meilenstein der Aufnahmen mit Blockflöte und Cembalo hat? Die Zeit wird es zeigen, und den Interpreten wäre es zu wünschen. Bonne chance!
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