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Georg Friedrich Händel: Die Sonaten für Blockflöte Rezensionen

 

 

 

Band I: 1. Sonate g-Moll (op. I, 2) HWV 360, 2. Sonate D-Dur HWV 378, 3. Sonate F-Dur HWV 378r, für Blockflöte und B. c., herausgegeben in 4 Bänden von Michael Schneider und Panagiotis Linakis,  Reihe: Recorders Library, Magdeburg 2019, Edition Walhall,  Partitur und Stimmen, Urtext-Edition, EW 903, € 24,80

 

Band II: 1. Sonate C-Dur (op. I, 7) HWV 365, 2. Sonate G-Dur HWV 358, 3. Sonate F-Dur HWV 358r, herausgegeben in 4 Bänden von Michael Schneider und Panagiotis Linakis, Reihe: Recorders Library, 2019, Edition Walhall, Partitur und Stimmen, Urtext-Edition, EW 1089, € 26,50

 

 

Die Sonaten von Georg Friedrich Händel gehören zum Kernrepertoire barocker Originalmusik eines jeden Blockflötisten. Sie liegen in etlichen Versionen mit ausgesetzter Continuostimme vor, und es stellt sich die Frage nach dem „warum“ einer weiteren Ausgabe. Lassen wir Michael Schneider, zusammen mit Panagiotis Linakis Herausgeber der aktuellen Fassung, selbst zu Wort kommen:

 

„Die vorliegende Neuausgabe der Händel´schen Blockflötensonaten unterscheidet sich von früheren Veröffentlichungen vor allem durch die Art und Weise der Realisierung des Generalbasses, die keineswegs in der einfachsten möglichen Form gehalten ist, sondern aktuellen Erkenntnissen über die Kunst des Generalbass-Accompagnements zu Händels Zeiten Rechnung trägt.“

 

Wer jenen aktuellen Stand der Erkenntnisse vertiefen möchte, dem sei die umfangreiche Liste an primärer und sekundärer Literatur zu Aspekten der Aufführungspraxis am Ende der Neuausgabe ans Herz gelegt. Ebenfalls höchst informativ ist das sechs Seiten umfassende Vorwort von Schneider und Linakis zur Entstehungsgeschichte und zur Quellenlage der Sonaten sowie zur Problematik der ornamentalen Ausgestaltung der Flötenstimme (im Spannungsfeld diverser stilistischer Traditionen) – und natürlich zu Facetten der Generalbassrealisierung: Imitationen, Verzierungen, Arpeggi, Oktavierungen im Bass, dissonierende Vorhalte (Acciaccaturen) etc.

 

Um seine persönliche Sicht auf die Dinge zu präsentieren, liefert Schneider als Appendix der Flötenstimme Beispiele von ausgezierten langsamen Sätzen, an welchen der Spieler sich orientieren mag – vor allem wohl der fortgeschrittene aber zugleich (noch) Rat suchende Schüler, wo der Profi seine eigenen Wege beschreiten wird.

 

Der vorliegende erste Band enthält die bekannte Sonata in g-Moll (HWV 360, op. 1, 2) und die (Querflöten-) Sonata in D-Dur (HWV 378) sowie eine für die Altblockflöte in f1 transponierte Fassung nach F-Dur, eine willkommene Bereicherung! Den Sonaten vorangestellt ist jeweils ein Präludium aus Händels Kompositionen für Cembalo, in der Tonart passend, den aufführungspraktischen Gepflogenheiten der Entstehungszeit folgend.

 

Ein erster Blick auf die Ausgestaltung verrät, dass es sich tatsächlich um eine höchst farbige, kenntnis- und ideenreiche, „komponierte“ Ausgestaltung und eben keine simple, Akkorde aneinanderreihende „Aussetzung“ handelt. Darin liegen Vor- und Nachteile, wenn man die Frage danach stellt, an wen sich eine solche Fassung in der Praxis richtet. Mancher Musikschullehrer, dessen clavieristische Fertigkeiten sich vielleicht in Grenzen halten, wird diese Version der Begleitung, die eigentlich gar keine Begleitung mehr ist sondern ein selbstbewusstes Gegenüber der Flötenstimme, nicht einfach „vom Blatt“ spielen. Er dürfte womöglich eine der vielen „handelsüblichen“ Fassungen bevorzugen.

 

Ein professionell ausgebildeter Continuospieler hingegen wird die vorgestellte Ausgabe – vermutlich bewundernd – zur Kenntnis nehmen, im Konzert aber – hoffentlich – seine eigene Fassung spielen, schon alleine, um nicht als Epigone dazustehen. Und die Schneider / Linakis Lösung auf CD einzuspielen wäre ja „geistiger Mundraub“ – und sollte den beiden Herausgebern allein vorbehalten bleiben.

 

Anzumerken ist ferner, dass die bereits vor etlichen Jahren von Winfried Michel bei Amadeus vorgelegte Ausgabe im Grunde einen sehr ähnlichen Ansatz verfolgt und ebenfalls einen an den historischen Quellen ausgerichteten, sehr kreativen Continuopart bereitgestellt hat – der übrigens Laien und Profis vor ähnliche Fragen stellt.

 

Und dennoch hat die neue Ausgabe ohne Zweifel ihre Berechtigung, denn sie wird Maßstäbe setzen und jedem Spieler zeigen, in welche Richtung er marschieren kann und sollte, wenn er einen historisch informierten und stilistisch vertretbaren Weg einschlagen möchte. In diesem Sinne stellt sie musikalisch und pädagogisch in jedem Fall eine große Bereicherung dar und wird für Viele eine Inspiration sein, sich grundsätzlich mit den mannigfaltigen Möglichkeiten des Continuospiels intensiver zu beschäftigen, womöglich den Weg zu historischen Quellentexten zu suchen, um zu einem vertieften Verständnis hochbarocker Musik an sich zu gelangen – und nicht allein der Blockflötensonaten von Händel.

 

Alles in Allem ist die Ausgabe eine besondere Empfehlung wert, und auf die folgenden Bände darf man gespannt sein!

 

PS. Inzwischen liegt auch der zweite Band zur Besprechung vor. Konzeptionell folgt er dem ersten: Den Sonaten sind Präludien für Cembalo solo vorangestellt, einzelne langsame Sätze sind in schlichter und ausgezierter Fassung präsentiert, die Realisierung der Continuostimme könnte farbiger nicht sein. Neben der großen Sonate in C-Dur (opus I, 7) liegt nun auch Händels Sonate in G Dur (HWV 358) und eine transponierte Fassung in F Dur vor, die das Stück – höchst willkommen – auch auf der Altblockflöte spielbar macht!

 

 

 

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