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Louis Andriessen 6. Juni 1939 – 1. Juli 2021 Berichte

Foto: © by ROSA

 

Der niederländische Komponist Louis Andriessen ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Er galt in den Niederlanden als Schlüsselfigur in der zeitgenössischen Musikszene. Im Internet findet man zahlreiche Einträge zu seiner Person und seinem Kompositionsstil. Weltweit bekannt wurde er zwar durch seine Orchester- und Bühnenwerke, aber er komponierte auch für kleinere Besetzungen. In der Blockflötenwelt ist er durch Frans Brüggen für seine Werke Sweet (1964) für Blockflöte solo, Paintings (1965) und Melodie (1972/1974) für Blockflöte und Klavier und Ende (1981) für einen Blockflötisten mit 2 Altblockflöten, bekannt geworden. Sein letztes vollendetes Werk May für Chor und Orchester ist erst im Dezember 2020 uraufgeführt worden. Bei dieser Uraufführung wirkte die Blockflötistin Lucie Horsch mit, die in Erinnerung an Louis Andriessen schreibt:

 

Lange bevor ich die Gelegenheit hatte, Louis Andriessen persönlich zu treffen, war ich bereits mit seiner Musik vertraut und von ihr fasziniert. Von dem Moment an, als ich die Partitur von Sweet aufschlug, war ich völlig gefangen von dem Stück. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich den Mut hatte, mit dem Üben zu beginnen, da es im zeitgenössischen Repertoire zu einem Standardstück für alle Blockflötisten geworden ist. Wenn man bedenkt, dass Louis Andriessen Sweet 1964 komponierte, also vor mehr als einem halben Jahrhundert, ist es erstaunlich, wie revolutionär dieses Stück immer noch in jeder Hinsicht ist. Nur ein wirklicher Visionär konnte ein Stück schreiben, das über die Zeit hinweg so einflussreich bleiben würde. Sweet fordert die Grenzen dessen heraus, was technisch auf der Blockflöte möglich ist. Die abrupten und extremen dynamischen Kontraste und Registersprünge sind fast unmöglich perfekt wiederzugeben. Es scheint, dass Louis Andriessen mit Sweet die „Psyche“ des Solisten einfangen wollte, der zum Scheitern verurteilt ist.

Das Üben von Sweet hat mich auf eine Weise herausgefordert, wie es bei keiner anderen Komposition zuvor der Fall war. Je tiefer ich in die Musik eindrang, desto mehr Fragen hatte ich. Deshalb war ich sehr dankbar, dass ich die Chance bekam, Louis Andriessen zu treffen und ihn über seine Komposition zu befragen. Er ermutigte mich, weiter zu suchen und Fragen zu stellen und die Musik genau zu betrachten, um die überzeugendsten Interpretationsmöglichkeiten zu finden. Ich fand es außergewöhnlich, wie ein Komponist von solcher Präzision dem Interpreten so viel Vertrauen und Freiheit geben konnte. Dadurch fühlte ich mich in meiner eigenen Interpretation viel sicherer.

Louis Andriessens letztes Werk, May (2019), wurde als Hommage an seinen lebenslangen Freund und einflussreichen Blockflötisten Frans Brüggen geschrieben. Die Weltpremiere wurde vom Orchestra of the Eighteenth Century gespielt. Wenn der Chor den Text „a boy blew on a pipe“ singt, hat die Blockflöte einen kurzen Auftritt in diesem Werk, als ob Frans Brüggen selbst in die Musik einsteigt. Die Tatsache, dass May zu Louis Andriessens Schwanengesang wurde, lässt mich noch dankbarer werden, dass ich den kurzen, aber sehr symbolischen Blockflötenpart in dieser Aufführung spielen durfte. Es war mein musikalischer Abschied von Louis Andriessen. Aber es war definitiv kein endgültiger Abschied, da seine Musik durch viele zukünftige Generationen weiterleben wird. (Lucie Horsch)

 

 

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