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Hindemith: Complete Sonatas for Wind Instruments and Piano Rezensionen

 

CD 1: Sonata for Flute and Piano, Sonata for Oboe and Piano, Sonata for Bassoon and Piano, Sonata for Clarinet and Piano, Sonata for Horn and Piano; CD 2: Sonata for Trumpet and Piano, Sonata for English Horn and Piano, Sonata for Trombone and Piano, Sonata for Alto Saxophone and Piano, Sonata for Tuba and Piano, Echo for Flute and Piano; Claudia Giottoli (flute), Simone Frondini (oboe), Luca Franceschelli (bassoon), Simone Simonelli (clarinet), Maria Chiara Braccalenti (English horn), Gabriele Falcioni (horn), Vincenzo Pierotti (trumpet), Gabriele Marchetti (trombone), David Brutti (saxophone), Gianluca Grosso (tuba), Jana Theresa Hildebrandt (speaker), Filippo Farinelle (piano), Brilliant Classics, NL-Leeuwarden 2021, 2 CDs, 95755

 

 

Im Konzertleben ist es ja relativ still um Paul Hindemith, einen der bedeutendsten Komponisten des letzten Jahrhunderts, geworden. Umso verdienstvoller ist es da zu werten, dass in einer hervorragenden Einspielung auf diesen beiden CDs alle Bläsersonaten vereinigt sind. Und zwar in der Reihenfolge ihres Entstehens. 19 Jahre liegen zwischen der ersten Sonate von 1936 für Flöte und Klavier und der letzten aus dem Jahre 1955 für Basstuba und Klavier. Der Beginn dieser Reihe – zu gleichen Zeiten entstanden auch noch für alle Streicher Sonaten – liegt in einer Zeit, als Hindemith seine Kompositionsmethode mehr oder weniger seiner eigenen „Unterweisung im Tonsatz“ anglich. Die Werke sind meisterhaft, gelegentlich aber auch gemessen an den frühen Werken aus den 20er Jahren manchmal ein wenig akademisch. Was wiederum bedeutet, dass die Interpreten das so handwerklich Perfekte in das Sinnliche zu übertragen haben. Ganz besonders gelungen erscheint das in der Saxofonsonate von 1943 mit den Interpreten David Brutti und Filippo Farinelli. Schade nur, dass das Zwiegespräch Das Posthorn hier kein Zwiegespräch zwischen Bläser und Klavier – wie von Hindemith intendiert – ist, sondern von der Sprecherin Jana Theresa Hildebrandt allein vorgetragen wird. Denn es ist schon ein Unikum in einer Sonate, einen Satz „nur“ von den Interpreten (eigentlich) sprechen zu lassen. Andere Interpreten dieser Sonate haben aber diesen Teil sogar ganz weggelassen. Das ist natürlich auch keine Lösung. Dieses Werk ist ursprünglich für Althorn gedacht gewesen. Aber Hindemith hat da als Musikant (heute ja eher ein Schimpfwort) ganz praktisch gedacht: die musikalische Substanz bleibt ja erhalten, nur das Gewand wandelt sich und verwandelt natürlich auch das Stück. Wunderbar wie mit Saxofon durch sehr geschmackvolles Vibrato eine Sinnlichkeit in dieses Werk hineinleuchtet. Typisch auch der Bewegungsfluss über der eher ruhigen Saxofonmelodie im Schlusssatz. So ähnlich auch im abschließenden Variationssatz der Basstuba-Sonate. Hier wirkt es durch den großen Abstand der beiden Instrumente und einer gewissen dennoch behänden Behäbigkeit der Tuba eher witzig – und vielleicht als Vorausnahme einiger Variations-Abschnitte des Pennsylvania Dutch Liedchen Hab lumbedruwwel mit me lumbeschatz aus seiner Pittsburgh-Symphony von 1958. Überhaupt diese Tuba-Sonate: Wer hat vor Hindemith schon eine veritable Sonate für dieses Instrument geschrieben? Und etwas zeigt sich auch an dieser Sonate plastisch: Hindemiths Wille dieses – und dies gilt für alle anderen Sonaten auch – als vollwertiges Instrument mit all seinen melodischen und auch rhythmischen Möglichkeiten und unter Vermeidung der üblichen Mätzchen vorzustellen. Er hat da einen vollkommen anderen Ansatz als Luciano Berio in seiner Sequenza-Serie für Soloinstrumente (eine auch für Gesang). Berio lotet die Instrumente bis an die zu seiner Zeit äußersten Grenzen aus. Da findet sich eine große Rigorosität. Ganz nebenbei auch keine Mätzchen! Hindemith – als Mitbegründer der Donaueschinger Musiktage – hatte da seine „Avantgardzeit“, seine „Bürgerschreckzeit“ längst hinter sich.

 

Diese spielt bei Hindemith in maßvoller Weise noch in seine 8 Stücke für Flöte solo hinein, ganz im Gegensatz zu seiner Flötensonate mit dem typischen Quart-Sekund-Beginn von 1936. Im langsamen Satz Anklänge an das Engelskonzert aus der Symphonie Mathis der Maler, nach einem gigue-artigen Satz folgt noch eine nicht ganz leicht zu spielende Marschparodie. Für den kammermusikalischen Hausgebrauch nicht so ganz leicht, aber locker und so leicht gespielt, wie hier von Claudia Giottoli, entfaltet er seine Wirkung. Und da fällt einem sogleich die etwas trockene Aufnahmetechnik auf, trockener jedenfalls als man sie heutzutage gewohnt ist. Das hat Vorteile und Nachteile: der Vorteil ist in der außerordentlichen Plastizität der musikalischen, respektive oft auch kontrapunktischen Verläufen, der Nachteil ist der Verlust klanglicher Sinnlichkeit, wie sie z. B. auch ein guter Konzertsaal hergibt. Unbedingt erwähnenswert in diesem Kosmos erscheint mir noch die Sonate für Trompete. Sie, oft zu kriegerischen Zwecken missbraucht, stimmt im Schlusssatz einen Trauermusik über „Alle Menschen müssen sterben“ an. Eine außerordentliche Idee. Auch diese Sonate, ebenso wie alle anderen sind meisterhaft musiziert. Eine absolute lohnende Neuerscheinung.

 

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