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Johann Sebastian Bach: 15 dreistimmige Sinfonien Rezensionen

 

BWV 787–801, in den Originaltonarten eingerichtet für 3 Blockflöten (Albrecht Barth), Reihe: Flautando Edition, Magdeburg 2021, Edition Walhall, Partitur und Stimmen, EW1207, € 21,80

 

 

Neuausgaben bekannter Werke sind ein willkommener Anlass, sich an prägende Musikerlebnisse zurückzuerinnern und sie aufs Neue zu würdigen. In unserer Zeit sehen wir uns so vielen Eindrücken ausgesetzt, dass der Pfad durch die Informationsfülle zurück zu den Grundlagen schwer zu finden ist.

 

Die 15 dreistimmigen Sinfonien, die der 2. Teil einer Sammlung von 30 polyphonen Sätzen für Tasteninstrument von Johann Sebastian Bach sind und wiederum ein Teil des Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach ausmachen, sind hohe Kunst in Kurzform, die uns berührt und von der wir viel lernen können. Es ist ein Übungswerk für Spieler und zugleich Blaupause als Anweisung zum Komponieren, wobei das letztere ein sehr ambitionierter Plan für den heutigen Spieler ist oder wie in diesem Fall, für drei Instrumentalisten.

 

Das Vorwort zum Autograph enthält eine präzise pädagogische Beschreibung:

Auffrichtige Anleitung womit denen Liebhabern des Claviers, besonders aber denen Lehrbegierigen, eine deutliche Art gezeiget wird, nicht alleine 1.) Mit 2 Stimmen rein spielen zu lernen, sondern auch bey weiteren Progressen: auch 2.) Mit dreyen obligaten Partien richtig und wohl zu verfahren, anbey auch zugleich gute Inventiones nicht alleine zu bekommen, sondern auch selbige wohl durch zu führen, am allermeisten aber eine cantabele Art im Spielen zu erlangen, und darneben einen starcken Vorschmack von der Composition zu überkommen.

Verfertiget Anno Christi 1723 von Joh: Seb: Bach. Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischen Capellmeister

 

Das Studium der Bearbeitung von Albrecht Barth profitiert vom Hinzuziehen zweier Referenzquellen: einem modernen Urtext sowie durch das Lesen des Autographs. Es macht Freude zu sehen, wie schwungvoll und gleichzeitig sorgfältig jede Note aufgeschrieben ist. Die Handschrift eines Komponisten atmet Geschichte und die Notation inspiriert die eigene Interpretation. In seiner Reinschrift ordnete Bach die Sinfonien aufsteigend nach Tonarten: C-Dur/c-Moll, D-Dur/d-Moll, Es-Dur – BWV 791 eine Ausnahme in vielerlei Hinsicht, in dieser Ausgabe in unverzierter und verzierter Fassung abgedruckt – E-Dur/e-Moll, F-Dur/f-Moll, G-Dur/g-Moll, A-Dur/a-Moll, B-Dur, h-Moll.

 

Die Bearbeitung der Sinfonien für drei Blockflöten wirft viele Fragen auf. Albrecht Barth hat die Entscheidung getroffen, die originalen Tonarten zu behalten, um die Charaktere der verwendeten Tonarten auf den Blockflöten hören zu lassen. Seine Besetzungsvorschläge versuchen, die Stimmen so weit wie möglich auch in der Originallage erklingen zu lassen, trotzdem waren Oktavierungen und Stimmentausch nicht zu umgehen. Im Vorwort ermuntert er den Leser und Spieler, nach eigenen Kompromissen zu suchen.

 

Bei 7 der 15 Sinfonien wird die Sopranblockflöte anstelle der Alt- oder Tenorblockflöte auf der Oberstimme eingesetzt, was bedeutet, dass diese Sinfonien eine Oktave höher klingen als notiert. Bei BWV 787 und 791 wird die Oberstimme mit der Altblockflöte besetzt, bei den anderen 6 Sinfonien spielt der Tenor auf der Oberstimme mit zwei Bassblockflöten auf Mittel und Unterstimme zusammen. Die Unterstimme wird wechselnd auf Bass-, Grossbass- oder Subbassblockflöte gespielt.

 

Der fortgeschrittene Schwierigkeitsgrad verlangt höchsten Einsatz von Spielern und Instrumenten. Jede der Stimmen hat ihre eigenen Herausforderungen. Das Lesen von Violin- und Bassschlüssel mit der Fähigkeit zu Oktavieren ist eine der leichteren Übungen. Für jede Stimme werden Instrumente mit einem Umfang von zwei Oktaven gebraucht, die sowohl eine gut ansprechende Höhe als auch eine sonore Tiefe und chromatische Halbtöne zur Verfügung haben.

 

Diese Bearbeitung ist sehr persönlich und aus einem Bedürfnis entstanden, wunderbare Musik für ein neues Publikum spielbar zu machen. Was für den Bearbeiter nach langer Beschäftigung mit der Materie sicherlich absolut stimmig klingt, kann für den sich gerade erst vertraut machenden Spieler zunächst ein ungewohntes Hörerlebnis darstellen.

 

Die musikalische Arbeit mit den 15 Sinfonien ist für ein Trio spannend, weil durch die Möglichkeit, nur eine der drei Stimmen zu spielen, für einen die Beziehungen zu den anderen Stimmen transparenter werden, da man nicht alle drei zugleich spielt.

 

Die Abwechslung von Adagio- und Allegro-Sätzen, von Barockstil und späterem galanten oder empfindsamen Stil, von Tanzsätzen mit Fugen und Kanons macht die Sammlung sehr vielseitig und das Studieren zu einem komplexen, intellektuellen Vergnügen, das intensive Vorarbeit erfordert. Allen Spielern sei ein langer Atem gewünscht, um lange Phrasen auf dem Instrument singend zu gestalten.

 

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