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In Memoriam Adriana Breukink
† 6. Oktober 2022
Berichte
@ adrianabreukink.com
Am 6. Oktober 2022 verstarb überraschend die bekannte niederländische Blockflötenbauerin und Blockflötistin Adriana Breukink. Man verbindet mit ihrem Namen vor allem tiefe Renaissanceblockflöten und immer wieder neue Ideen für den Bau moderner Blockflöten. Stephanie Brandt erinnert an sie:
Adriana war eine Visionärin, eine Erfinderin, eine Künstlerin.
Ich lernte sie kennen, als ich 1999 mein Studium in Amsterdam aufnahm und auch gleich Mitglied bei The Royal Wind Music wurde. Als Ende der 90er Jahre in Amsterdam unter Leitung von Paul Leenhouts die Idee für dieses neue Ensemble in außergewöhnlicher Besetzung entstand, fertigte Adriana hierfür die Instrumente an. Es sollte nicht nur ein doppeltes Renaissanceblockflötenconsort im 4- und 8-Fuss-Register gebaut werden, sondern die – wortwörtlich – große Idee dazu war, eine Subkontrabassblockflöte in B, gefertigt aus einem einzigen Birnbaum, neu zu entwickeln. Mit „Big Babe“, wie der Subkontrabass liebevoll genannt wird, hat sie dem Ensemble überhaupt erst seinen eigenen charakteristischen Klang gegeben. Ihr Mut zu Neuem und ihre Zielstrebigkeit waren der Beginn einer engen Verbindung mit dem damals jungen Ensemble The Royal Wind Music sowie der Blockflötenklasse des Conservatoriums van Amsterdam.
Zahlreiche Besuche in ihrer Werkstatt vertieften die Beziehung. Unvergessen sind dabei die Szenen in Adrianas Wohnzimmer, wenn Hölzer von aussortierten und wohl misslungenen Rohlingen, meist Bassblockflöten, in ihrem offenen Kamin langsam in Flammen aufgingen und dabei wohlige Wärme verströmten.
Jedes Mal, wenn ich sie traf, gab es etwas auszuprobieren – einen neuen Prototyp, eine Weiterentwicklung oder eine Spezialanfertigung. Immer begegnete sie mir mit einem breiten Lächeln im Gesicht und hatte ein Leuchten in den Augen beim Gedanken an ihr nächstes Projekt. Dabei überraschte sie oft mit baulichen Neuerungen, die von Traditionalisten bisweilen mit Fragezeichen betrachtet wurden. Ein Labium aus Metall? Eine Altblockflöte voller Klappen? Ein Ganassimodell als Basis für eine moderne Blockflöte? Muss das sein? Für Adri musste es sein. Paradoxerweise sah sie als Blockflötenbauerin weiter in die Zukunft als manche Spieler oder Komponisten. Sie baute Instrumente für Musik, die es noch gar nicht gab. So drehte sie traditionelle Rollenverteilung um: anstatt auf Anfrage von Spielerinnen und Spielern Instrumente zu bauen, schrieben Komponisten neue Werke für die Eagle-Blockflöte und gingen Blockflötistinnen und Blockflötisten mit dem neuen Instrument auf Entdeckungsreise. Wer sich auf die erweiterten klanglichen Möglichkeiten einließ, wurde mit neuen Erfahrungen belohnt und konnte im Austausch mit Adri der Weiterentwicklung des Eagle-Modells auf dem Fuß folgen.
Zurück nach Amsterdam: Als 2011 unter Mitgliedern von The Royal Wind Music die Idee für ein neues internationales Blockflötenfestival, die Open Recorder Days Amsterdam (ORDA) entstand, war Adriana sofort begeistert. Wir hatten sofort ihre volle Unterstützung: Natürlich würde sie auf den Markt kommen und dort ihre Instrumente ausstellen. Natürlich würde sie in jedem Festivaljahr ein handgefertigtes Instrument als Förderpreis sponsern. Und natürlich hielt sie auch gerne einen Vortrag, um ihre damals neuen Eagle-Ganassiflöten vorzustellen.
Sie war eine kreative Powerfrau, dabei warmherzig und großzügig, und immer im bereichernden Gespräch mit Kollegen, Besuchern und mit jungen Wettbewerbsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Sie wird fehlen.
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