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Günter von Zadow: Catalogue of Works of Carl Friedrich Abel (AbelWV) Rezensionen

 

ortus studien Band 26, Beeskow und Berlin 2023, Ortus Musikverlag, ISBN 978-3-937788-76-0, 470 S., brosch., € 55,00

 

Dass Carl Friedrich Abel (1732–1787) weit mehr als nur ein Kleinmeister zwischen den Epochen war, hat sich spätestens seit den Aktivitäten von Walter Knape herumgesprochen.

 

Knape (1906–2000) hatte 1973 eine Monographie über den Komponisten veröffentlicht im Verbund mit einer 16-bändigen sogenannten „Gesamtausgabe“ von Abels Werken, verlegt in seinem Eigenverlag Ad Portam, Cuxhaven.

 

Der Name Abel war und ist eng konnotiert mit anderen großen Namen seiner Epoche, vor allem mit dem der Familie Bach: Abels Vater, Christian Ferdinand, war Johann Sebastian Bachs Cellist in der Köthener Zeit, Johann Christian Bach wurde dann in London zu Carl Friedrich Abels engstem Freund und Partner bei der Gründung und Ausrichtung der Bach-Abel-Concerts.

 

Carl Friedrich war Freund von Johann Wolfgang von Goethes Vater und offenbar mehrere Male zu Gast in dessen Frankfurter Haus. Johann Wolfgang nennt in seinen Lebenserinnerungen Abel den „letzten Musiker, welcher die Gambe mit Glück und Beifall behandelte“. Noch Burney rühmt ihn als einen ganz außergewöhnlichen Virtuosen auf diesem Instrument.

 

Als Gambenvirtuose und Komponist zahlreicher Solostücke und Sonaten für die Gambe war Abel dann auch im Zuge der Wiederentdeckung Alter Musik im 20. Jahrhundert ein Begriff.

 

Dass er auch vor allem als Sinfoniker eine bedeutende Rolle gespielt hat, wurde nicht zuletzt deutlich, als sich herausstellte, dass Wolfgang Amadeus Mozart als Achtjähriger während seines Londoner Aufenthalts Abels Sinfonie op. 7, 6 in Es-Dur eigenhändig abgeschrieben hatte – ganz offenbar als eine Musterkomposition für dieses Genre. Diese Sinfonie war nämlich wegen Vorhandensein eines Autografs zunächst mit der Werknummer 18 als Komposition Mozarts ins Köchelverzeichnis aufgenommen worden und wird noch bis heute (z. B. bei YouTube) entsprechend „gelabelt“.

 

Besonderheit von Abels Schaffen ist, dass er außer einigen vereinzelten Arien (darunter das wunderschöne Frena le belle lagrime mit obligater Gambe als Beitrag zu einem Opern-Pasticcio) keine Vokalmusik geschrieben hat.

 

Hierin unterscheidet er sich am stärksten von seinem Freund Johann Christian Bach, der einen zuweilen zum Verwechseln ähnlichen Musikstil pflegte, aber zentral an geistlicher Musik und Opern interessiert war.

 

Auch in anderer Hinsicht weist Abels Musiksprache durchaus individuelle Züge auf: Er war ja u. a. als zeitweiliges Mitglied der Dresdner Hofkapelle auch zu Hause im „norddeutsch/berlinerischen“ Stil (etwa eines CPE Bachs, Grauns oder Franz Bendas), bevor er sich spätestens in London, wo er ab 1759 wirkte, dem „süddeutsch-melodiösen“ Stil seines Freundes Bach anschloss.

 

Abels Besonderheit sind seine langsamen Sätze, die meist weit über galante Konventionen hinausgehen und zuweilen hymnisch, von ihrer Harmonik oft auch ausgesprochen präromantisch anmuten. Abels Stärke lag auf der lyrischen Seite – wohl deshalb auch seine weitgehende Abstinenz vom Genre der Oper.

 

Um Komponisten wie Carl Friedrich Abel ins gebührende allgemeine Bewusstsein zurückzubringen, bedarf es „Verrückter“: Musiker, Herausgeber, Autoren und Verleger, die immer wieder am Thema dranbleiben und keinerlei Mühen scheuen!

 

Walter Knape war ganz zweifellos einer von diesen. Leider haben seine Veröffentlichungen wie Biographie, Werkverzeichnis und „Gesamtausgabe“ letztlich in den vergangenen 50 Jahren nur begrenzte Wirkung entfalten können, was vor allem mit der Fehlerhaftigkeit und mangelnden Sorgfalt in seinen Ausgaben zu tun haben dürfte, die in keiner Hinsicht heutigen Ansprüchen für Wissenschaft und Praxis standhalten.

 

Aber es gibt ja – Gott sei Dank! – neue „Verrückte“: Praktiker wie den Gambisten Thomas Fritzsch, CD-Produzenten wie Burkhard Schmilgun von cpo, Herausgeber wie den Cellisten Markus Möllenbeck – und – vor allem aber: Günter von Zadow, der aufgrund seines beruflichen Hintergrunds in seinem Heidelberger Verlag Edition Güntersberg für alle Bereiche von der Recherche bis zum Notensatz zuständig ist.

 

Hier hat er – ausgehend vom Gambenrepertoire – mittlerweile über 60 Neuausgaben, auch von Kammermusik, Instrumentalkonzerten und Sinfonien Abels veröffentlicht – und zwar allesamt in editorisch mustergültigen Ausgaben, die allen aktuellen wissenschaftlichen und praktischen Standards entsprechen.

 

Im Zuge dieser Arbeit hat von Zadow sich dann auch an die Kompilation eines neuen Werkverzeichnisses gemacht, das soeben – gerade pünktlich zu Abels 300. Geburtstag – veröffentlicht wurde. Mit dieser Ausgabe hat von Zadow den Ortus Verlag betraut, der für seine sorgfältigen musikwissenschaftlichen Ausgaben bekannt ist.

 

Dass es eines neuen Verzeichnisses bedurfte, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass mittlerweile, ausgehend von 233 Werken (bei Knape), im neuen Verzeichnis insgesamt 420 Titel aufgelistet sind.

 

Es bereitet ein riesengroßes Vergnügen, in diesem auch drucktechnisch hervorragend gestalteten Buch zu blättern.

 

Ich zitiere aus dem Klappentext:

Jedes Werk wird mit Incipits, zugehörigen Quellen und Konkordanzen dargestellt. Die verschiedenen Werkkategorien eröffnet jeweils ein Überblickskapitel, das die Werke in einen Gesamtzusammenhang stellt. Acht Register erleichtern die Orientierung, und in einer Zeittafel finden sich alle bekannten Daten zur Entstehung und Veröffentlichung der Werke. Im Anhang werden 34 Titelseiten von historischen Drucken und 19 Porträts ganzseitig abgebildet.

 

Für Tibia-Leser interessant: Abel hat viel Flötenmusik komponiert: Flötenwerke sind erhalten vom Solo über Duette, etliche Sonaten mit B. c., Trios (darunter auch Parallelwerke zu Haydns „Londoner Trios“), Quartette, (hier die Flöte oft alternativ zur Violine) bis hin zu den insgesamt 10 vollständig erhaltenen Flötenkonzerten (von denen einige ja auch bereits im Neudruck vorliegen). Beobachtung am Rande: es gibt erstaunlich viele Streichquartette, denen meines Wissens bislang noch gar keine Beachtung geschenkt wurde. In den beiden Konzertanten Sinfonien nimmt neben jeweils einem hochvirtuos behandelten solistischen Cello und einer Violine die Oboe eine dritte Solopartie ein.

 

Günter von Zadow schafft mit den Buchstaben „A“ bis „G“ ein neues Ordnungssystem von 7 Kategorien: A: ein Instrument, B: 2 Instrumente, C: 3 Instrumente. D: 4 Instrumente, E: Sinfonien, F: Concerti, G: Weiteres. Vorteil dieser Gliederung ist, dass neue Funde problemlos unter den jeweiligen Ordnungsbuchstaben eingereiht werden können. 

 

Fazit: Das neue Werkverzeichnis von Carl Friedrich Abel von Günter v. Zadow stellt eine höchst willkommene Neuerscheinung dar, macht Lust auf „mehr Abel“ und gehört meines Erachtens in jede Musikbibliothek!

 

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Über den Autor / die Autorin
Michael Schneider ,

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