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Leserzuschrift zum Gespräch von Inés Zimmermann mit Giovanni Tardino in TIBIA 3/2019, S. 503 Leserzuschriften
Diese Leserzuschrift zu dem Porträt in TIBIA 3/2019 erreichte uns erst nach Drucklegung des letzten Heftes der TIBIA und erscheint daher an dieser Stelle.
Lieber Giovanni!
Das Interview mit Dir in der Tibia 3/2019 habe ich mit Interesse gelesen. Darin sprichst Du von Deinen Kollegen, die sich immer „weiter vom Original entfernen“, während Du „einen Schritt in die Zeit zurückgehst“ und so ein anderes Konzept von „Kopie“ entwickelt hast. Als einer dieser Kollegen möchte ich darauf gerne antworten.
Die Instrumentenbauer des 18. Jahrhunderts (sowie vorher & nachher) waren vermutlich überwiegend keine humanistischen Universalgelehrte im Stile eines Leonardo da Vinci, die ihre Instrumente aufgrund universal gültiger Proportionen oder einer errechneten Ideallinie der Bohrung konstruiert haben.
Sie waren wohl in erster Linie ausgezeichnete Handwerker, die ihre Instrumente eingebettet in eine lange Familientradition gebaut haben, bei Veränderungen eher empirisch vorgingen und sich dabei natürlich auf Kundenwünsche und die damalige Musikpraxis bezogen.
Wenn wir heute versuchen, Instrumente zu kopieren, nachzubauen oder zu rekonstruieren, fehlt uns leider genau dieses Know-How. Wir können also weder auf überlieferte Idealproportionen noch auf geerbte Handwerkstradition zurückgreifen.
Stattdessen müssen wir von den wenigen (im Verhältnis zur Anzahl der damals gebauten) Instrumenten ausgehen, die heute noch erhalten sind. Erschwerend kommt hinzu, dass sich natürlich keines dieser Instrumente in dem Zustand befindet, in dem es war, als es gebaut wurde. Das Holz ist im Laufe der Zeit geschrumpft, durch den Gebrauch verzogen oder abgenutzt und oft genug wurden nachträglich Veränderungen vorgenommen.
Trotzdem ist dieses „Endergebnis“ zwangsläufig der Ausgangspunkt unserer Bemühungen. Ihm müssen wir behutsam und mit Respekt begegnen, denn ihm verdanken wir einen Großteil unserer Informationen.
Selbstverständlich geht es heute beim „Kopieren“ nicht um das bloße Reproduzieren eines Originalinstrumentes. Wir versuchen vielleicht Bohrungsveränderungen zu korrigieren oder nachträgliche Veränderungen rückgängig zu machen, um dem vermuteten Originalzustand näher zu kommen. Oft genug werden allerdings darüber hinaus auch Veränderungen vorgenommen, die sich nicht mehr auf das Original beziehen. So werden Löcher versetzt, Bohrungsverlauf und Wandstärke geändert, weil es „so besser funktioniert“. Gerne wird auch die Unterschneidung der Mundlöcher an den eigenen Geschmack oder den der Spieler angepasst. Das ist legitim, sollte dann aber fairerweise auch benannt werden.
Wenn wir uns lange genug mit einem bestimmten Instrument oder Instrumentenbauer beschäftigt haben (und eigene Erfahrungen mit dem Bauprinzip gemacht haben) meinen wir vielleicht mit etwas Glück ein wenig zu verstehen, warum der Instrumentenbauer damals bestimmte Entscheidungen getroffen hat, die für uns zunächst unverständlich waren.
Das ist ein Glücksgefühl, sollte uns aber nicht dazu verleiten zu meinen, wir hätten den Stein der Weisen gefunden, während alle anderen Kollegen im Trüben fischen oder sich womöglich sogar immer „weiter vom Original entfernen“.
Die Vielfalt der heute angebotenen Kopien, Rekonstruktionen, Nachbauten oder Nachschöpfungen von hoher Qualität ist groß. Ebenso die Vielfalt der Instrumentenbauer. Es gibt Philosophen, Handwerker, Künstler, Pragmatiker, Musiker und Geschäftsleute.
So eine Auswahl ist doch großartig für die Flötisten, die natürlich ihrerseits genauso vielfältig sind!
Als Instrumentenbauer braucht man in dieser Situation allerdings ein wenig Gelassenheit und muss akzeptieren, dass man nicht alle glücklich machen kann.
Mit kollegialen Grüßen
Dein Fridtjof
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