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Dorothee Oberlinger/Nils Mönkemeyer: Dance for Two Rezensionen
Dorothee Oberlinger (recorder), Nils Mönkemeyer (viola), deutsche harmonia mundi, Berlin 2023, 1 CD, EAN 19658745252
Ein „Dance for two“: der Titel der CD bezieht sich natürlich auch auf das Schlussstück der CD, ein für Dorothee Oberlinger und Nils Mönkemeyer fantasievolles Werk der griechischen Komponistin Konstantia Gourzi. Aber um es gleich zu sagen, dieser „Pas de Deux“, diese ungewöhnliche CD ist ein einzigartiger Wurf. Zwei sehr verschiedene Instrumente Blockflöte und Bratsche verschmelzen hier in grandioser Weise, ohne dabei ihre Individualität zu verlieren. Die ganze CD mit Duo- und Solobearbeitungen ist schon als Komposition anzusehen, beginnend mit einer Antiphon von Hildegard von Bingen, nahtlos übergehend in ein Originalwerk von Konstantia Gourzi messages between trees II von 2022. So wird gleich zu Beginn der Zeitraum von Jahrhunderten umrissen, den die CD trägt, trotz eines stetig sozusagen rondoartig wiederkehrenden Zentrums: Johann Sebastian Bach. Von ihm gibt es Bearbeitungen von Inventionen, Kanons aus dem Musikalischen Opfer und der Kunst der Fuge, des Adagio e piano aus der Triosonate G-Dur BWV 1039 und der Prélude aus der 2. Suite in d-Moll, original für Violoncello. Zu Recht weisen die beiden Künstler auf die barocke Praxis der manchmal auch sehr freien Bearbeitung in der Barockzeit hin. Besagte Triosonate gibt es schon bei Bach in mindestens zwei Fassungen: als Triosonate für 2 Flöten und Generalbass, als Sonate für Violoncello und Cembalo und in einer – vermutlich der Urfassung – Triosonate für Flöte, Viola und Generalbass. Durch den Gebrauch des französischen Violinschlüssels und der satztechnischen Beachtung beim doppelten Kontrapunkt, war das Vertauschen einer tiefen Stimme zu einer hohen, vice versa, gang und gäbe. (z.B. Telemanns Blockflötensonate f-Moll in Umwandlung als Fagottsonate). Auch instrumentenspezifische Verzierungen betonen in dieser Zeit eine gelenkte Art zu improvisieren. Der Notentext ist komponiert, legt so sicherlich die Substanz und entscheidende Werkgestalt fest. Aber die durch Tinte sozusagen kristallisierten Ideen, müssen vom Interpreten wieder zum Leben erweckt, „geküsst“ werden. Analog der Geschichte des Pygmalion. Faszinierend dabei, wie hier im Gewande Blockflöte, Viola neue Wahrnehmungen, Erkenntnisse von eigentlich bekannten Werken große Freude machen können. So hat man diese Werke noch nie gehört. Das gilt natürlich auch für zwei frühe Werke der Avantgardisten Morton Feldman mit Only von 1947 und John Cage mit Dream von 1948. Letzteres sehr witzig beginnend mit „pizzikato“ in beiden (!) Instrumenten. Diese beiden fast zur gleichen Zeit entstandenen Werke stehen aber nicht etwa nebeneinander, sondern in der Dramaturgie der CD finden sich dazwischen zwei Solo-Werke aus dem 17. Jahrhundert: the black joke aus The Division Violin eines unbekannten Komponisten, virtuos auf der Blockflöte vorgetragen und eine g-Moll-Fantasie von Nicola Matteis, ein wunderbares Arpeggienstück. Alle vier eben vorgestellten Stücke bis auf the black joke haben eher einen meditativen Charakter als den eines Tanzes, wobei auch im Tanz sich immer alles um ein Zentrum dreht. Nils Mönkemeyer spricht bezogen auf Feldmans Only von „Zustandsmusik“. Das trifft cum grano salo eigentlich auf fast alle der eingespielten Werke zu. Selbst rasante Tänze wie die beiden Bartók-Duos aus seinem op. 44 haben in sich kaum eine Entwicklung. Tanzen: ein Zustand! Trotz der Bewegung. Diese Mischung zwischen nachdenklichem, lyrischem und virtuosem, rasantem, ist schwer zu beschreiben, man muss es einfach hören.
Zusätzlich muss ich noch das hervorragende Booklet erwähnen: Allein das Gespräch zwischen Dorothee Oberlinger, Nils Mönkemeyer und Susanne Benda sollte man unbedingt lesen - sehr erhellend! Der kleine Druckfehler im Programm bei Bachs 8. Invention: geschenkt. Sie steht halt in F-Dur.
Nochmals zur „Komposition“ des Programms: wie zu Beginn Konstantia Gourzis Werk Hildegard von Bingens Werk nahtlos anschließt so am Schluss auch ihr Werk Dance for two op. 96 an Bartóks Duos. Beide mit irregulären Balkanrhythmen. Großartig!
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