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Jean-Daniel Braun: Sonatas for Flute & B.C. Rezensionen

 

CD 1: Sonates pour la Flûte-Traversiere avec la Baße Op. 1; CD 2: Six Sonatas pour la Flûte Traversiere avec la Basse Op. 5; CD 3: Sonatas Op. 7; CD 4: Piéces sans basse; Musica ad Rhenum: Jed Wentz (traverso flute), Cassandra Luckhardt (viola da gamba), Job ter Haar (cello), Michael Borgstede (harpsichord), Brilliant Classics, NL-Leeuwarden 2020, 4 CDs, BC 95764

 

Jed Wentz gehört seit fast 40 Jahren zu den führenden Köpfen der Alte-Musik-Szene in den Niederlanden. Während meiner Studienzeit in Amsterdam in den 80er Jahren konnte man jeden Tag Weltklasse-Musiker auf dem Konzertpodium erleben. Selber Konzerte zu veranstalten und das Publikum für Unbekanntes zu begeistern, war angesichts der erdrückenden Masse an vorhandenem Talent nicht einfach. Doch den jungen, talentierten, mit Organisationstalent und Idealismus ausgestatteten Jed Wentz konnte ich öfter in der Engels Kerk im berühmten Begijnhof hören. Hieß sein Ensemble schon damals Musica Ad Rhenum? Ich weiß es nicht mehr, aber ich erinnere mich an sehr schöne Konzerterlebnisse und an begeistertes Fachpublikum.

 

Seit 2012 ist er Künstlerischer Direktor des Utrechter Early Music Festivals, dem weltweit größten Festival dieser Art. Er unterrichtet Traverso und Musikwissenschaft an den Universitäten von Amsterdam, Den Haag und Leiden, spielt viele Konzerte und nimmt so viele CDs auf, dass man ihn als Workaholic im besten Sinne bezeichnen kann. Ein Mann mit einem langen Atem. Mühelose Eleganz kennzeichnet seine Spielweise und er hat die Gabe, Gesamteinspielungen zu präsentieren, die bis zur letzten Note auf der letzten CD interessant bleiben.

 

Seit den drei CDs der sehr gelungenen Locatelli-Einspielung sind 12 Jahre ins Land gegangen. Die Flötenmusik von Jean-Daniel Braun (1703–1740) findet 2020 auf vier CDs Platz. Opus 1 und Opus 5 aufgenommen in a1 = 400Hz auf einer Naust-Kopie; Opus 7, die Solostücke und die Sonate in e-Moll von 1740 auf einer Willem-Beukers-Kopie in a1 = 409 Hz, beide von seinem alten Weggefährten Simon Polak gebaut.

 

Und er hat recht: Brauns Kompositionen verdienen weit mehr Aufmerksamkeit als ihnen bisher geschenkt wurde, eine Erkenntnis, die man auch dank dieser Einspielung gewinnt. Braun beherrscht die ganze Palette, wenn er für die Flöte schreibt: Seine Musik ist virtuos, seine Harmonien sind reich und voll, er schreibt berührende langsame Sätze voll Zartheit und feuerwerksartige Kabinettstückchen, wenn ihm danach ist. Gerade die Einspielung der Solostücke eröffnet dem Hörer einen neuen Horizont. Ohne auf die Urheberschaft einiger Stücke einzugehen, die z. B. auch in den Quantz' Capricci zu finden sind, sind es Kabinettstückchen, die Jed Wentz virtuos auf eine unaufgeregte Art und Weise darbietet. Beim Zuhören stellt sich ein Gefühl ein, als träfe man einen alten Freund, der die besondere Gabe des Erzählens besitzt. Sogleich lehnt man sich entspannt zurück, denn man weiß, ganz gleich worüber dieser Freund gleich voller Enthusiasmus sprechen wird, es wird spannend, unterhaltend und kurzweilig sein. Man gibt sich der Musik hin, ohne gleich den Kritikerblock hervorzukramen, und das ist vielleicht eines der schönsten Komplimente, das man einem Interpreten machen kann. Ohne Attitüden, dicht am Original aber immer originell, mit großer Musikalität und einem sehr ästhetischen warmen vollen Ton.

 

Die gleiche Professionalität und Musikalität trifft auch auf seine Mitspieler Job ter Haar, Cassandra Luckhardt und Michael Borgstede zu, ebenfalls seit langem Weggefährten und Mitstreiter.

 

Zuletzt möchte ich einen Vergleich zwischen Spitzenköchen und Musikern anstellen. Der Respekt und die Liebe, mit denen ein Spitzenkoch seine Zutaten behandelt und dafür sorgt, dass jede Zutat zur Geltung kommt, ist dieselbe Art mit der Jed Wentz an die Interpretation von Alter Musik herangeht. Man kann diese wunderbaren Sonaten immer wieder anhören und neue Schönheiten darin entdecken. Eine Bereicherung für jeden Freund barocker Kammermusik!

 

 

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