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I am Sarah and I am a Recorder Player
Inés Zimmermann im Gespräch mit der Blockflötistin und YouTuberin Sarah Jeffery
Porträts
Foto: Claudia Hansen Photography
1985 in England geboren kam Sarah Jeffery 2007 im Alter von 22 Jahren nach Amsterdam, studierte an der Hochschule der Künste bei Jorge Isaac, Paul Leenhouts und Walter van Hauwe, und ist seit ihrem Examen 2013 freiberuflich als Musikerin und Pädagogin tätig. Seit 5 Jahren hat sie ihren eigenen englischsprachigen YouTube-Kanal Team Recorder, für den sie jede Woche Videos produziert, die die Blockflöte in den Mittelpunkt stellen – Technikvideos, Hilfe beim Aussuchen von Instrumenten, Repertoirekenntnis, Interviews mit Kollegen, Flötenbauern und vieles mehr. Inzwischen hat sie fast 150.000 Abonnenten aus rund 200 Ländern. Neben den für alle verfügbaren Inhalten hat Sarah einen Mitgliederbereich, der von Patreon, einem Social-Payment-Anbieter, betreut wird. Je nach Größe der monatlichen Beiträge erhält der Abonnent zusätzliche Leistungen. Außerdem gibt es einen Webshop für Fanartikel. Online-Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene ergänzen das Angebot. 2018 erschien ihre Debut-CD Constellations (Minimal Music for Recorders).
Inés Zimmermann: Zur Begrüßung frage ich dich, wie du auf deinen Markenzeichen-Gruß am Anfang jedes Videos gekommen bist?
Sarah Jeffery: „I am Sarah and I am a Recorder player“ war eine spontane Idee. Ich war mir bewusst, dass viele YouTuber immer denselben Satz am Anfang ihrer Videos sagen. Mit diesem Satz habe ich intuitiv mein allererstes Video begonnen und bin dabei geblieben. Es hat damit angefangen, dass ich im Internet bei meiner Suche nach Informationen zur Blockflöte nicht fündig wurde. Ich sagte mir, dass es kein Wunder sei, dass die Blockflöte einen schlechten Ruf hat, wenn es so schwer ist, etwas darüber zu erfahren.
Mit meinem Kanal möchte ich durch fundierte Information mehr Wissen über die Blockflöte vermitteln und das Ansehen des Instrumentes erhöhen. All das gemeinsam mit den Mitgliedern von Team Recorder und zwar mit Freude und einem Lächeln im Gesicht.
Ich habe das Glück gehabt, bei wunderbaren Lehrern in England und den Niederlanden zu studieren, aber die meisten Benutzer der Suchmaschine haben diese Möglichkeit nicht, wohnen z. B. nicht in der Nähe eines Lehrers und wollen trotzdem mehr über die Blockflöte lernen und vor allem gerne spielen können.
Dabei hilft dir natürlich, dass deine Muttersprache Englisch ist.
Englisch ist natürlich international, aber inzwischen gibt es viele meiner Abonnenten, die meine Videos untertiteln, sodass noch mehr Leute davon profitieren können. In den 5 Jahren meines Kanals habe ich Blockflöten Communities auf allen Teilen der Welt kennengelernt, von deren Existenz ich vorher nichts wusste.
Du bist von diesen Communities auch eingeladen worden, Kurse zu geben und aufzutreten. Wohin haben dich deine Reisen in letzter Zeit geführt?
Nach Brasilien, Singapur, Neuseeland und Australien, letzteres wurde durch Covid leider erst einmal verschoben. Nach Singapur wurde ich übrigens eingeladen, um mit dem Künstler Song-Ming Ang an einer Filmmusik zu arbeiten, die für den Beitrag Singapurs zur Biennale in Venedig verwendet wurde.
Du lebst mit deinem Mann und deiner Tochter in der Nähe von Amsterdam: Wie kam das?
Ursprünglich kam ich nach Amsterdam, um mich nach meinem Studienabschluss in Englang ein Jahr auf Zeitgenössische Musik zu konzentrieren. Weiter hatte ich nicht gedacht. Doch als ich in die Niederlande kam, wusste ich schon nach ganz kurzer Zeit: „Hier möchte ich bleiben!“, und lernte im Nu die Sprache.
Deine Videos sind sehr informativ und geben gute Tipps rund um die Blockflöte und als Bonus gibt es immer wieder lustige, nicht so ernst gemeinte Beiträge, in denen u. a. 10 Spieler- oder Lehrertypen im Rollenspiel vorgestellt werden. Hast du das bis ins Detail geplant?
Bei der Planung meiner Videos darf ich ein Detail nie vergessen: Meine Abonnenten haben sehr unterschiedliche Vorkenntnisse. Zum einen sind es Kollegen oder Musikstudenten, aber auch viele Laien und Leute, die gar keine Blockflöte spielen, sich aber trotzdem dafür interessieren. Für diese bunte Mischung gilt es, den Inhalt der Videos zu variieren, und ich tue das auch für mich selber. Auf ein arbeitsintensives Video, wie den Beitrag über die Voice Flute, der mich Wochen an Vorbereitung gekostet hat, folgt etwas Unkompliziertes wie eine Übe-Anleitung zu einem Harry-Potter Song, den sich viele gewünscht haben. Meine Ziele passen sich auch den sich verändernden Umständen an. In den ersten Jahren habe ich viel alleine gemacht und dadurch sehr viel gelernt. Jetzt habe ich das Bedürfnis, meinen Horizont zu erweitern. Die Interviews mit Kollegen und Flötenbauern sind ein erster Schritt. Ich setze nun vermehrt auf Kollaborationen und lade interessante und relevante Personen ein, mit mir Videos zu gestalten. Die Zusammenarbeit gibt mir wieder neue Impulse. Ebenso möchte ich gerne andere Instrumente aus der Alten-Musik- oder Neuen-Musik-Szene vorstellen und dazu auch die Kollegen einladen, die diese Instrumente spielen. Auch ein Cross-over zwischen Alt und Neu ist denkbar. Auch bei diesen Themen bin ich mir im Klaren, dass einige natürlich wissen, was ein Cembalo ist und es schon gehört haben und andere überhaupt nicht wissen, was das für ein Instrument ist und dann sagen: „Aha, cool, kann man darauf auch Film-Musik spielen, wie kann ich es in meine Band integrieren?“, und dem ganzen sehr offen gegenüberstehen.
Wieviel Zeit verbringst du damit, mit deinen Fans zu sprechen, ihnen zu schreiben und auf Fragen zu antworten?
Wenn man einen erfolgreichen YouTube-Kanal haben will, verbringt man mindestens genauso viel Zeit damit, mit den Abonnenten zu kommunizieren, wie mit dem Erstellen und Schneiden der Beiträge, die man ins Netz stellt.
Kommunikation bedeutet, auf Anfragen und Kommentare zu reagieren und Fragen zu beantworten. Ich bin auf Facebook, Instagram, Twitter und Patreon aktiv und biete Onlinekurse an. Alles in allem ist es ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit. Abonnenten zu bekommen ist der erste, aber auch der leichteste Schritt. Danach musst du dich beweisen. Dann beginnt die Arbeit, eine Gemeinschaft aufzubauen, eine echtes Team Recorder zu schaffen, Gemeinschaftssinn zwischen den Nutzern aufzubauen und diese Verbindung aufrecht und lebendig zu halten.
Im Allgemeinen brauche ich einen Tag in der Woche, um das Video fertigzustellen und dann noch einmal ein bis zwei, eher zwei Tage, um den Kontakt mit der Gemeinschaft zu halten.
Macht dir das alles Spaß?
Oh ja, und das muss es auch, sonst würde es nicht funktionieren.
Für Fragen, die mir praktisch täglich gestellt werden, habe ich auf meiner Website eine Liste gemacht, in der ich auf bereits gemachte Videos verweisen kann, wie z. B. „Welche Blockflöte soll ich kaufen?“ oder „Wie finde ich neues Repertoire?“ Manche Mitglieder kenne ich persönlich und nehme mir gerne Zeit für sie. Das entspricht einfach meinem Charakter.
Unerfreuliche Kommentare sind leider Teil des Internet-Geschäfts, aber sie sind zum Glück selten. Man muss sich in unserem Beruf eine dicke Haut zulegen. Aber das ist bei Auftritten auch nicht anders: du stehst vor Leuten und erhältst vielleicht eine schlechte Kritik und auch diese musst du abschütteln und weitermachen. Im Internet ist diese Kritik nur noch viel stärker und unmittelbarer: Stell dir vor, du spielst ein Konzert und 5000 Zuhörer schreien dir ihre Meinung ins Gesicht. Manche sagen noch nicht einmal Hallo, bevor sie loslegen. Ich habe gelernt loszulassen, abends mache ich Schluss und beschäftige mich mit meiner Familie. So wichtig Team Recorder auch für mich ist, genauso wichtig ist es, abzuschalten.
Du willst den allgemeinen Wissensstand über die Blockflöte verbessern. Gibt es etwas Besonderes, was dir am Herzen liegt?
Ja. Eine Erneuerung des Blockflöten-Curriculums für Großbritannien, Nordirland und die ehemaligen Kolonien. Dort gibt es ein einheitliches Curriculum, d. h. eine Repertoireliste, die an allen Musikschulen verwendet wird. Auf dieser Liste stehen ausschließlich europäische Komponisten. Man könnte meinen, dass weder Komponistinnen noch außereuropäische Musik existieren. Ich möchte mehr über die Musik erfahren, die nicht auf dem Curriculum steht. Nur, weil sie dort (noch) nicht aufgeführt ist, muss es ja nicht heißen, dass sie schlecht ist. Um das Curriculum zu erneuern, müssten wir zu allererst in unseren eigenen Köpfen aufräumen, um nicht in den alten Strukturen zu verharren.
Hast du mit dem Kanal erreicht, was du wolltest?
Wenn ich an die Zahl der Abonnenten denke, auf jeden Fall. Ich hätte nie gedacht, das der Kanal so groß werden würde. Ich hatte natürlich die Hoffnung, den YouTube-Kanal in eine regelmäßige Einkommensquelle zu verwandeln. Im Shop gibt es Fan-Artikel, die man kaufen kann, auf Patreon kann man Mitglied werden und mit den Online-Kursen kann ich neue Projekte und CD-Aufnahmen finanzieren. Diese Seite würde ich gerne noch ausbauen.
Musst du für deine Instrumente noch bezahlen oder bekommst du die gratis gestellt?
Ich bin mir bewusst, dass die Flötenbauer auch nicht viel Geld haben und unterstütze sie gerne, indem ich ihre Instrumente präsentiere. Vincent Bernolin hat mir seine Instrumente aus Kunstharz für eine Weile zur Verfügung gestellt und ich habe sie bei Team Recorder vorgestellt. Auch mit dem Early Music Shop London habe ich einige Kollaborationen gemacht. Sie schicken mir eine große Kiste Instrumente, die ich behalte, bis ich das Video darüber gemacht habe und dann zurückschicke. Es gibt aber auch „offiziellere“ Kooperationen: für Paetzold Kunath arbeite ich als Botschafterin.
Du trägst gerne knallroten Lippenstift beim Spielen und hast eine Persiflage auf die Make-up-Videos gemacht, indem du ausprobierst, welches der haltbarste Lippenstift ist, der am wenigsten abfärbt.
Ja, aber leider musste ich die Lippenstifte selber kaufen, da hat sich (noch) kein Sponsor gefunden. Spaß beiseite, natürlich benutze ich Lippenstift nur bei meinen eigenen Instrumenten. Ich liebe meine Flöten. Ich musste lange sparen, um sie mir leisten zu können, aber sie sind auch ein Gebrauchsgegenstand. Auch ein Taxifahrer liebt sein Taxi und fährt es doch auch im Regen. Wenn ich finde dass eine Performance Lippenstift braucht, dann mache ich das auch, und hinterher lässt sich der Fleck ohne weiteres entfernen.
Du bist immer so gut gelaunt und enthusiastisch. Meine erwachsenen Schüler lieben es, deine Videos zu sehen, wenn es ihnen nicht so gut geht und sie bekommen so wieder gute Laune.
Oh, das ist schön zu hören, danke und liebe Grüße an sie. Natürlich bin ich nicht immer gut gelaunt, es ist eben wie ein Auftritt, so ein Video zu drehen. Um die Information richtig rüberzubringen und die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht zu verlieren, braucht es eine gewisse Energie, denn sie können von einer Sekunde zur anderen zu Billionen andere Videos klicken und ich versuche, sie zu halten. Trotzdem bleibe ich mir selber treu und authentisch. Doch mein Auftreten unterscheidet sich abhängig davon, ob ich in einem Konzert spiele, als Lehrer Kinder unterrichte oder z. B. ein Interview führe. Ich hatte schon lustige Kommentare, bei Kursen, die ich gegeben habe, in denen meine Studenten sagten, du bist ja in Wirklichkeit viel ruhiger.
Unterrichtest du im Moment (Januar 2021) alle deine Schüler online? Bist du noch an einer Musikschule tätig?
Als ich meine Tochter Bodil bekam, habe ich mit dem regelmäßigen wöchentlichen Unterrichten aufgehört, weil es zeitlich zusammen mit meinen Konzerten und Tourneen nicht mehr möglich war. Für Team Recorder habe ich eine Anfängerklasse und eine Mittelstufen-Klasse. Beide haben eine Laufzeit von 5 Wochen. Seit 12 Jahren arbeite ich zudem im SoundLAB, das zur pädagogischen Abteilung des Muziekgebouw aan’t IJ gehört, das ist einer der großen Konzertsäle hier in Amsterdam. Dort können alle ohne Vorkenntnisse unsere einmaligen, intuitiv zu gebrauchenden Instrumente spielen. Ich gebe Improvisations-Kurse für Gruppen jeden Alters. Im SoundLAB gibt es zwischen 60 und 70 Instrumente, die eigens für diesen Rahmen entwickelt wurden. Die Kurse sind sehr kreativ und man lernt zudem sein potentielles Publikum kennen. Wir sind 12 Kollegen, die alle sowohl einen musikalischen als auch einen pädagogischen Hintergrund haben.
Du hast deine Masterarbeit darüber geschrieben, wie man seinen Körper als ein Instrument gebrauchen kann.
Als Jugendliche habe ich traditionellen englischen Clog Dance gelernt, das ist eine Art Stepptanz in Holzschuhen. Als ich bei unserem traditionellen alternativen „Voorspeelavond“ mein Hobby öffentlich machte, war mein Professor Feuer und Flamme und riet mir, damit auch beruflich weiterzugehen. Für meine Masterarbeit beschäftigte ich mich mit der Rolle von Bewegung und Raum für einen Musiker.
Wie ist dein zukünftiger Plan für Team Recorder? Bald gibt es keine Blockflötenthemen mehr, über die du noch keinen Film gedreht hast.
Es ist eher umgekehrt: Je mehr Filme ich produziere, desto vielfältiger werden meine Ideen, was als nächstes kommen könnte. Die Entwicklung auf der Blockflöte geht immer weiter. Was früher in Examen gespielt wurde, wird heute zur Aufnahmeprüfung gespielt. Walter van Hauwe erzählte mir im Interview, dass er als junger Lehrer am Konservatorium Spieler, Komponisten und Flötenbauer zusammengebracht hat, um die Blockflöte voranzubringen und meine Community kann all das noch weiterentwickeln und Menschen zugänglich machen, die anders nie damit in Berührung gekommen wären. In meinen frühen Videos habe ich oft technische Grundlagen vermittelt, im Moment sind es Interviews und Kollaborationen. Aber so wie ich mich weiterentwickle, wird es auch Team Recorder tun. Am Anfang dachte ich, dass ich bestimmte Dinge nicht unterrichten könne, wie z. B. Vibrato. Aber je länger ich den Job mache, desto selbstbewusster werde ich und traue mir mehr zu.
Deine Abonnenten werden zu deinen virtuellen Schülern?
Auch zu meinen Lehrern. Sie melden sich auch, wenn ich etwas falsch mache. Wir lernen voneinander und ich nehme ihre konstruktive Kritik gerne an.
Team Recorder demokratisiert den Zugang zur Blockflöte und der sogenannten klassischen Szene?
Absolut. Ganz egal, wo du in der Welt bist oder wie gut du spielst, den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Viele Leute sagen: ich dachte Klassische Musik sei ernst und du bist gar nicht ernst. Ich versuche alles in einer entspannten positiven Art und Weise zu vermitteln. Es ist mir ernst, aber ich muss deswegen nicht ernst sein.
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