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Georg Friedrich Händel (?): Sonate B-Dur / Georg Friedrich Händel: Sechs Blockflötensonaten Rezensionen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Friedrich Händel (?): Sonate B-Dur, für Altblockflöte und Basso continuo, nach der Violinsonate F-Dur HWV 370, bearbeitet von Klaus Hofmann, Reihe: Recorders Library, Magdeburg 2021, Edition Walhall, Partitur und Stimmen, EW1184, € 13,80

 

 

Wir verehren in Deutschland gerne unsere großen Komponisten, vorausgesetzt, sie haben sich nicht ins Ausland „davongemacht”. Ein Studium in Italien oder einer der anderen Hochburgen, das ist soweit in Ordnung, aber in ein anderes Land zu emigrieren, um dort „für gut” zu leben und zu arbeiten? Außergewöhnlich, nein mehr sogar: verdächtig. Das gilt übrigens auch für Schauspieler und bildende Künstler. Dieses Detail der deutschen Mentalität bleibt gewöhnungsbedürftig.

 

Auf den Britischen Inseln hat Georg Friedrich Händel einen festen Platz im Musik-Olymp. Ein zeitgenössisches Beispiel für seine Verehrung ist die Verwendung der Hymne Zadok the Priest nicht nur für die Krönung von Elisabeth II. 1953, sondern auch als Erkennungs-Thema der UEFA Champions League seit 1992. Ein Deutscher, der in England italienische Musik schreibt – es kann so einfach sein.

 

Vorlage dieser Ausgabe ist die Violinsonate F-Dur, HWV 370, die der Londoner Verleger John Walsh in seinem zweiten Druck von 12 Sonaten Händels als Sonata XII veröffentlichte (siehe Faksimile S. 58 bis 63 unter imslp.org). Das Titelblatt ist in der letzten Zeile mit dem Hinweis versehen „Note: this is more correct than the former Edition”. Im ersten Druck mit 12 Sonaten für Oberstimme und B. c. von 1730 war diese Sonate nicht abgedruckt. Die Autorschaft Händels gilt als nicht gesichert, dennoch wird man durch den Schwung in den schnellen und den gesanglichen Melodien in den langsamen Sätzen zu einem Halbgläubigen, denn es hat den Stallgeruch des großen Meisters, auch wenn vielleicht zur Geburtsstunde ein anderes Pferd in der Box stand. Alle großen Verlage beziehen diese Sonate in ihre Gesamtausgaben ein, ihr wird also Beachtung geschenkt.

 

Für den Leser ist wichtiger, dass das Stück trotz der offensichtlichen Bevorzugung der Violine als Besetzung der Oberstimme, sehr gut auf der Blockflöte zu spielen ist. Die Aufwärtstransposition nach B-Dur erfolgt im Hinblick auf den Tonumfang der Blockflöte, wobei die Bassstimme ebenfalls angepasst wurde, um Höhenflüge im Bass zu vermeiden.

 

Verschiedene Druckfehler der Walsh-Vorlage sind stillschweigend korrigiert worden. Zieht man als Vergleich die Doblinger Ausgabe von 2010 hinzu, wird offensichtlich, dass verschiedene Herausgeber verschiedene Präferenzen haben. Als Beispiel dient der erste Satz, Adagio: Der Blockflötist Martin Nitz korrigiert in Takt 7 in der Oberstimme die zwei 16tel im 2. Schlag. Statt wie im Original a und g sind es dort b und a, was eine unnötige Dissonanz zum Bass verschwinden lässt. Edition Walhall wie auch Doblinger lassen aus der 1. Achtel des 3. Schlages g statt c (wie im Original) werden.

 

Der Würzburger Klaus Hofmann denkt diese Sonate vom Bass aus und trifft andere Entscheidungen als Martin Nitz, wenn es darum geht, den Bass teils eine Quarte aufwärts, teils eine Quinte abwärts zu transponieren. Beide Versionen sind in sich schlüssig. Bei der Oberstimme verändert er in Takt 20 den letzten Ton von f nach c, das steht auch so in der Bärenreiter-Ausgabe für Violine, nicht aber im Walsh-Original. Im 3. Satz Largo werden in der 2. Hälfte von Takt 4 die zum folgenden Takt überleitenden 3 Viertelnoten hinzugefügt, was den Fluß der Melodie erhält und die Basslinie verbessert. 

 

Die Frage, die sich bei Bearbeitungen stellt, ist, wann es genug ist? Je mehr man in ein Werk eintaucht, desto logischer erscheinen einem kleine Veränderungen, bis man über beiden Ohren in einer Neubearbeitung steckt. Das ist hier nicht der Fall.

 

Meine Frage angesichts der Schwierigkeiten, die meine Schüler mit der B-Dur Transposition haben, wäre: Warum eigentlich keine Bearbeitung in der Originaltonart F-Dur? Der Bass bliebe wo er ist und die Oberstimme wäre in den Momenten, die meine guten Schüler irritieren, in einem für die Altblockflöte leicht spielbaren, wunderbar sonoren Bereich.

 

Ich spreche über die folgenden Passagen: 1. Satz T. 39–45; 2. Satz T. 29–32; der gesamte 3. Satz; 4. Satz T. 37–48.

 

Deutlich wird, dass mehr Eingriffe in der Oberstimme notwendig werden, deutlich auch, dass die Sonate viel spielbarer wird und weil sie in F-Dur selbstverständlicher klingt, noch ein wenig mehr von Händel scheint als in B-Dur. Warum? Von Händel sind wir dahingehend konditioniert, dass seine langsamen Sätze satte Klangfarben haben und die schnellen dem guten Amateur spielerische, schnelle Passagen bieten, die gut zu greifen sind und in denen er sich mit Spaß austoben kann. Weitere Gedanken: Bei Bearbeitungen für ein barockes Blasinstrument ist die Wahl der Tonart entscheidend. Jede Tonart hat durch die Verwendung von mehr oder weniger Gabelgriffen ein anderes Klangbild. Auch der Grund-Puls der Sonate kann sich in verschiedenen Tonarten unterschiedlich anfühlen. In F-Dur fühlt sich HWV 370 im Puls 60 (1. Satz Viertel = 60 , 2. Satz und 3. Satz Halbe = 60, 4. Satz punktierte Halbe = 60) anders an als in B-Dur.

 

Beide Versionen, die in B-Dur von Klaus Hofmann und die selbst herzustellende Adaption der Violinstimme in F-Dur bieten Vor- und Nachteile. Für Traversflöte ist die Originalfassung mit wenigen Korrekturen spielbar, klanglich satter und auch vom Schwierigkeitsgrad her freundlicher.

 

Schön, dass einem diese Sonate durch die Neuausgabe wieder ins Gedächtnis gerückt wird. Dem geschäftstüchtigen Verleger John Walsh wie Klaus Hofmann von der Edition Wallhall sollte verziehen werden, dass HWV 370 von beiden unter dem Namen des damals berühmtesten Komponisten Englands auf den Markt gebracht wurde.

 


 

 

 

 

 

 

Georg Friedrich Händel: Sechs Blockflötensonaten, für Blockflöte und Klavier (Cembalo) (Hg. Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Generalbassaussetzung von Ullrich Scheideler), München 2021, Henle Verlag, Urtext, HN 1497, € 30,00

 

 

Wer möchte nicht eine optisch ansprechende Neuausgabe mit lesenswertem Vorwort, gutem Revisionsbericht und dezenter Aussetzung sein Eigen nennen?

 

Die Einlegestimme hat eine ausklappbare Seite, zusätzlich gibt es einen Einleger mit Blockflöte und beziffertem Bass, ebenfalls aufwendig mit ausklappbaren Seiten gestaltet. Im Gegensatz zum Original sind die hohen Partien des Basso continuos nicht in Alt- oder Tenorschlüssel, sondern in Violin- und Bassschlüssel umgeschrieben worden, was es leichter lesbar macht. Willkommen in der Familie der Händel-Ausgaben, die ja immer wieder ersetzt werden müssen, weil sie vor lauter Spielen zerfallen.

 

 

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